Grafische Illustration des Hardt Hyperloop
Hardt Hyperloop
Hardt Hyperloop
Highspeed-Transport

Hyperloop überlebte Hype

Ein Zug, der in einer nahezu luftleeren Röhre mit rund 1.000 km/h dahinflitzt, relativ klimafreundlich ist und wirtschaftlich effizient: Das war die Idee des Hyperloops, die der Tech-Milliardär Elon Musk vor zehn Jahren populär machte. Der Hype um den Hyperloop ist abgeebbt, die Idee aber lebt weiter. In den Niederlanden begannen soeben die Bauarbeiten zur längsten Teststrecke Europas.

Die ersten Stahlröhren dazu wurden dieser Tage an das European Hyperloop Center in Veendam bei Groningen geliefert. Bis Ende des Jahres soll die rund 400 Meter lange Strecke fertiggestellt sein, danach sollen die ersten Testfahrten beginnen – mit einer Geschwindigkeit von maximal 100 km/h. „Wir denken, dass wir zeigen können, dass Hyperloop lebensfähig ist und wirklich in den Markt kommen kann“, sagt Julia Oomens-Meer von Hardt Hyperloop gegenüber science.ORF.at. Gegründet haben das Unternehmen 2016 Studenten der Technischen Universität (TU) Delft, Pioniere der Hyperloop-Entwicklung.

Alte Idee mit schwieriger Umsetzung

Die Idee von Zügen, die auf Stützen oder in Röhren ultraschnell dahingleiten, ist sehr alt und hat auch die Science-Fiction-Fantasie immer wieder angeregt. Zuletzt etwa in der „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“, in der die Züge bzw. Kapseln aus Glas bestanden – eine eher wirklichkeitsferne Variante.

2013 skizzierte ein Team um Elon Musk die Idee in einem Arbeitspapier möglichst wirklichkeitsnahe. Die Vision: auf Mittelstrecken von rund 1.000 Kilometern schneller und umweltfreundlicher als mit dem Flugzeug und zugleich günstiger als mit der Bahn zu reisen – dank neuer Technologien. An den in Folge ausgerufenen Innovationswettbewerben nahmen Teams aus aller Welt teil – die Studenten und Studentinnen der TU Delft hatten immer wieder die Nase vorne.

Julia Oomens-Meer vor dem Modell eines Hyperloop-Innenraums
Lukas Wieselberg, ORF
Julia Oomens-Meer von Hardt Hyperloop vor dem Modell eines Hyperloop-Innenraums

2020 absolvierte ein Hyperloop des Virgin-Gründers und Milliardärs Richard Branson in einer US-Wüste die weltweit erste Testfahrt mit Menschen an Bord. Danach schien die beste Zeit der „Vision Hyperloop“ aber vorbei – am vielleicht anschaulichsten ausgedrückt durch die Nachricht Ende 2022, wonach Elon Musks Firma SpaceX ihre Teststrecke bei Los Angeles abriss, um Parkplätze zu errichten. Auch die bisher größte Testanlage in Europa, gebaut vom US-Unternehmen HTT im französischen Toulouse, scheint verwaist, wie französische Medien ebenfalls Ende 2022 berichteten.

Andererseits hat HTT Mitte Mai eine Ausschreibung in Italien für die Errichtung einer Hyperloop-Teststrecke zwischen Venedig und Padua gewonnen. Und auch anderswo wird an dem – in vielerlei Hinsicht herausfordernden – Konzept weiter geforscht. In Europa etwa noch in der Schweiz, in Spanien, Polen, Deutschland und eben in den Niederlanden.

„Andere haben viel geredet, wenig gezeigt“

Warum das European Hyperloop Center nahe Groningen schaffen sollte, was woanders nicht gelungen ist? „Viele Unternehmen, die bis jetzt am Hyperloop gearbeitet haben, haben viel geredet, aber noch wenig gezeigt“, sagt Oomens-Meer von Hardt Hyperloop. „Wir haben gewartet mit dem, was wir auf den Markt bringen wollen, bis wir wissen, dass es funktioniert. Und wir werden zeigen, dass die Technologie funktioniert, so wie wir sie vor uns sehen.“

Im Inneren der Teströhre
Lukas Wieselberg, ORF
Im Inneren einer 30 Meter langen Hyperloop-Teströhre, die seit 2019 in Rotterdam steht

Der Hyperloop-Antrieb ähnelt jenem des Transrapids, einer in Deutschland in den 1970er Jahren entwickelten Magnetschwebebahn, die sich wirtschaftlich nie etablieren konnte und nach einem schweren Unfall endgültig ins Abseits geriet. Im Gegensatz zum Transrapid fährt der Hyperloop aber in nahezu luftleeren Röhren, der geringe Widerstand ermöglicht höhere Geschwindigkeiten, potenziell bis zu 1.000 km/h. Ein Alleinstellungsmerkmal in den Niederlanden ist laut Oomens-Meer der Spurwechsel. Diese für Magnetschwebebahnen große technische Herausforderung sei gelöst, die Testanlage werde deshalb bereits in Y-Form gebaut – mit einer Möglichkeit, die Spur zu wechseln.

Plan bis 2030: 2,6 Kilometer lange Strecke und 700 km/h

50 Millionen Euro Forschungs- und Entwicklungsgeld hat das European Hyperloop Center nahe Groningen bisher einsammeln können, sagt die Business Developerin – von der öffentlichen niederländischen Hand, von der EU-Kommission und von Investoren. In der ersten Phase soll damit bis Jahresende die rund 400 Meter lange Teststrecke gebaut werden. Bei einer weiteren Finanzierung soll in Phase zwei dann bis 2030 ein 2,6 Kilometer langes Röhrensystem entstehen, in dem auch erstmals die angestrebte Maximalgeschwindigkeit von 700 km/h erreicht werden soll.

Hyperloop-Teströhre in Rotterdam
Lukas Wieselberg, ORF
Die Teströhre von außen

Hyperloops würden laut Berechnungen im Betrieb nur zehn Prozent der Energie von Flugzeugen verbrauchen, bei ähnlicher Kapazität und Geschwindigkeit – seien also deutlich klima- und umweltfreundlicher. Das Konzept verstehe sich als komplementär zu bestehender Verkehrsinfrastruktur, mit Fluglinien und Eisenbahngesellschaften werde bereits zusammengearbeitet, so Oomens-Meer. Ziel sei ein Modal Split, also die Verteilung des Transportaufkommens auf einzelne Verkehrsträger – Kurzstreckenflüge, wie sie in Frankreich etwa bereits verboten sind, wären ideale Kandidatinnen, durch Hyperloops ersetzt zu werden.

Besuchszentrum lässt in Zukunft blicken

Noch ist das alles freilich Zukunftsfantasie. Realität hingegen ist seit 2019 eine 30 Meter lange Teströhre am Hafen von Rotterdam, die Ingenieure von Hardt Hyperloop nutzen. Ende des Vorjahrs eröffnete hier auch das Experience Hyperloop Center, in dem Besucher und Besucherinnen in die Zukunft blicken können bzw. sollen. Hier kann man sich bereits auf einen Platz im möglichen Innenraum einer Hyperloop-Kapsel setzen.

Fenster gibt es keine, die Kapsel selbst und die Röhre rundherum verhindern einen Ausblick – dafür soll es allerhand virtuell erzeugte Bilder an den Seiten und Decken geben. Die Magnetschwebetechnik im Miniformat lässt sich im Besuchszentrum ebenso begutachten wie die fiktiven Fahrzeiten zwischen den Knotenpunkten eines europäischen Netzwerks. Von Graz nach Wien würde es etwa nur 22 Minuten dauern – sagt der Computer.

Schwebetechnik im Miniformat

Apropos Österreich: Das letzte Mal, als Hyperloop hierzulande ein Thema war, liegt einige Jahre zurück. 2016 zeigte der damalige Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) Interesse an der Idee, „in acht Minuten von Wien nach Bratislava zu fahren“. Die Kosten für die knapp 70 Kilometer lange Strecke wurden damals aber alleine für die Infrastruktur auf rund eine Milliarde Euro geschätzt – nicht zuletzt deshalb verschwand das Projekt wieder in den Schubladen des Wirtschaftsministeriums.

Internationale Standards sollen erarbeitet werden

In den Niederlanden hingegen werden gerade die ersten Stahlröhren der neuen Teststrecke zusammengeschweißt. Und auch an internationalen Regelungen wird gearbeitet. Vor Kurzem haben sich sieben Technologieunternehmen in Brüssel zur Hyperloop Association vereinigt, die erste weltweite Konferenz der Branche findet Mitte Juni im südkoreanischen Busan statt. Ziel da wie dort ist die Entwicklung internationaler Hyperloop-Standards, „damit wir nicht, wie das zum Beispiel bei der Bahn der Fall war, auf einmal in einem Land eine andere Breite von unseren Röhren haben als in einem anderen, und wir somit nicht an der Grenze stoppen und umsteigen müssen“, sagt Julia Oomens-Meer.

Der Besuch im Hyperloop-Center von Rotterdam fand im Rahmen einer Studienreise statt, veranstaltet und finanziert von ACR – Austrian Cooperative Research.

Der Muskeske Gründerhype rund um Hyperloop ist mittlerweile also einem gewissen Pragmatismus und einer Realitätsnähe gewichen. Ob die technischen Herausforderungen tatsächlich alle gelöst worden sind, wie die niederländische Firma Hardt Hyperloop behauptet, bleibt abzuwarten. Ebenso ob die Energiebilanz so positiv ausfällt wie angekündigt und wie sich die hohen Weltmarktpreise von Stahl und Kupfer – für Röhren und Antrieb fundamental – auswirken werden. Fakt ist: Hyperloop lebt trotz Rückschlägen. Das zeigt auch die jüngste Ankündigung Chinas, bis 2035 eine 175-Kilometer-Strecke für Passagiere zwischen Schanghai und Hangzhou errichten zu wollen – und auch die neue Teststrecke in den Niederlanden.