Pest, Skelett
ArchaeoProtect/ÖAW
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Archäologie

Ältesten Pesttoten Österreichs identifiziert

In einem Gräberfeld aus der frühen Bronzezeit sind die Skelette von zwei jungen Männern gefunden worden. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) identifizierte sie als die ältesten Pesttoten Österreichs. Die beiden Männer sollen sich vor 4.000 Jahren mit dem Erreger angesteckt haben.

2018 wurde im Zuge des Straßenausbaus bei Drasenhofen im nördlichen Niederösterreich ein prähistorisches Gräberfeld entdeckt. Archäologische Untersuchungen ergaben, dass es sich um 22 Grabstätten aus der frühen Bronzezeit handelt. Um 2.000 v. Chr. wurden hier nahe der tschechischen Grenze 25 Menschen bestattet.

Es war – wie so oft bei Krankheitsdiagnosen – ein Zufallsbefund, der das Forschungsteam auf die Spur des prähistorischen Pestbakteriums brachte, sagt Katharina Rebay-Salisbury vom Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW: „Die Studie hat ursprünglich einen anderen Zweck gehabt. Wir wollten die Verwandtschaftsverhältnisse der Bestatteten auf diesem Gräberfeld untersuchen und haben deswegen genetische Untersuchungen eingeleitet.“

Fundstelle der Gräber bei Autobahnumfahrung A5
Katharina Rebay/ÖAW
Die Fundstelle der Gräber bei der Autobahnumfahrung A5

Dafür wurden Proben aus den Zähnen der Verstorbenen entnommen, aus denen sich die Tausende Jahre alte DNA besonders gut extrahieren lässt. „Weil im Zahn Blutgefäße verlaufen, kommt es immer wieder auch dazu, dass man Pathogene entdeckt, die sich zum Zeitpunkt des Todes im Blut eines Individuums befunden haben. Und im Rahmen dieser archäogenetischen Untersuchung ist es uns gelungen, den Pesterreger Yersinia pestis nachzuweisen“, so die Archäologin.

Unterschiedliche Pesterreger

Speziell nach dem Pestbakterium wurde jedoch nicht gesucht. Umso überraschender war es, dass gleich bei zwei der Toten DNA von Pesterregern entdeckt wurde. Es handelt sich um zwei Männer im Alter zwischen 22 und 30 Jahren, die jedoch an unterschiedlichen Stämmen des Bakteriums gestorben sind. Für Rebay-Salisbury ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie sich nicht gegenseitig angesteckt haben, sondern es zwei unabhängige Infektionsquellen gegeben haben muss – wohl durch die Jagd auf infizierte Tiere oder den Verzehr von infiziertem Fleisch.

Dass die beiden bisher ältesten nachgewiesenen Pesttoten zwei Männer sind, könnte laut Rebay-Salisbury ein Hinweis auf die geschlechterspezifische Arbeitsaufteilung in der frühen Bronzezeit sein: „Dass zum Beispiel Männer eher Tätigkeiten ausüben, die sie mit Wildtieren in Kontakt bringen.“

22 ausgehobene Gräber in Drasenhofen aus der Vogelperspektive
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Die 22 ausgehobenen Gräber in Drasenhofen aus der Vogelperspektive

Tatsächlich konnten prähistorische Pestbakterien auch schon in anderen europäischen Ländern festgestellt werden. „Es ist mittlerweile europaweit relativ gut etabliert, dass die Pest – also der Pesterreger Yersinia pestis – schon im späten Neolithikum und der Frühbronzezeit verbreitet war. Das heißt, es gibt bereits Befunde aus Deutschland oder aus Tschechien, die vergleichbar sind. Aber für Österreich ist es der erste derart alte Pestfall“, so Rebay-Salisbury. Über diese Erkenntnisse berichten die Forscherinnen und Forscher nun im Fachblatt „Archaeologia Austriaca“.

Ansteckung meist durch Tröpfcheninfektion

Die Pest der frühen Bronzezeit war eine andere als jene, die im Mittelalter rund 50 Millionen Menschen in Europa das Leben gekostet hat – auch bekannt als „Schwarzer Tod“. „Der ‚Schwarze Tod‘ zeichnet sich dadurch aus, dass die Bakterien sehr gut an eine Übertragung mit dem Floh angepasst sind, denn die verklumpen den Vormagen des Flohs. Der kann von seiner Blutmahlzeit dadurch niemals genug bekommen und versucht immer wieder, andere Individuen – Menschen, Tiere – zu beißen. Und dadurch kommt es zu einer sehr schnellen Übertragung der Pest“, sagt Rebay-Salisbury.

Diese Adaption des Pestbakteriums an den Floh war in der Bronzezeit noch nicht vollzogen. Die Menschen damals dürften sich zumeist durch Tröpfcheninfektion bei Tieren oder durch den Verzehr ihrer Beutetiere angesteckt haben. In der Folge erkrankten sie an einer frühen Form von Lungenpest und starben letztlich an Organversagen oder Blutvergiftung. Man nimmt an, dass die Pest auch vor 4.000 Jahren eine Erkrankung war, die rasch zum Tod führte.

„Pest ist nicht ausgestorben“

Bestattet wurden die beiden nun identifizierten ersten Pestopfer in Österreich jeweils am nördlichen und südlichen Rand des kleinen Gräberfelds in Drasenhofen. Womöglich ein Beweis dafür, dass die Menschen schon damals um die Gefährlichkeit von Infektionskrankheiten für die gesamte Gruppe Bescheid wussten. „Es sind auch Männer, die ohne Beigaben bestattet sind, aber durchaus respektvoll – dem Brauch der Zeit entsprechend – niedergelegt wurden“, so die Archäologin. „Trotzdem könnte diese Randlage darauf hinweisen, dass sich die bronzezeitliche Gemeinschaft da schon gedacht hat, es könnte sich um Individuen handeln, von denen man vielleicht Abstand halten sollte.“

Bis heute ist die Pest eine zoonotische Erkrankung, die von Tieren auf Menschen und umgekehrt übertragen wird und in Epidemiewellen verläuft. Die bekanntesten sind die „Justinianische Pest“ im Frühmittelalter und die als „Schwarzer Tod“ bekannte Beulenpest in der Mitte des 14. Jahrhunderts. „Wir befinden uns heute noch in der dritten Pestwelle, denn die Pest ist ja nicht ausgestorben“, betont Rebay-Salisbury. Jährlich kommt es immer noch zu rund 3.000 Pestfällen weltweit, am häufigsten in den Ländern des Globalen Südens.