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CO2

Starker Emissionsanstieg durch Verbauung

Das Ausmaß der verbauten Fläche pro Kopf ist nach der Höhe des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der stärkste Antreiber für Treibhausgasemissionen. Das zeigt eine neue Studie, die auch ein neues, starkes Argument für die Eindämmung des in Österreich ausgeprägten Flächenfraßes liefere, so der Ökologe Helmut Haberl von der BOKU Wien.

Es ist eine Art politische Henne-Ei-Debatte, wenn darüber diskutiert wird, ob neue Infrastrukturen in Form von neuen Verkehrswegen letztlich mehr Verkehr erzeugen oder Verbesserungen mit sich bringen. Klar ist, dass wirtschaftliche Entwicklung – ablesbar u. a. am BIP – mit dem Ausbau der Infrastruktur in einem Land sehr stark zusammenhängen.

Die Forscherinnen und Forscher um den am Institut für Soziale Ökologie (SEC) der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien tätigen Helmut Haberlwollte es aber genauer wissen. Sie bildeten auf Basis detaillierter Daten über die Landnutzung in 113 Ländern Indikatoren dazu, wie gebaute Strukturen mit dem Energieverbrauch und regionalen CO2-Emissionen zusammenhängen. Ihre Studie ist nun im Fachjournal „Nature Communications“ erschienen.

Zweitgrößter Einflussfaktor

„Das Entwickeln dieser Indikatoren war wirklich aufwendig und schwierig“, so Haberl. So brauchte es eine überschaubare Anzahl an Maßzahlen dazu, wie sich „sozusagen in einer Karte Siedlungen und Straßen verteilen“. Ob es etwa in einem Land eine große und viele kleinere Städte gibt, wie etwa in Österreich, oder ob die Abstände zwischen Ballungsräumen groß oder klein sind, erzeugt nämlich ganz unterschiedliche Infrastrukturmuster. Verglichen wurden diese Werte dann z. B. mit dem BIP. Dann berechnete das Team, wie stark die verschiedenen Faktoren mit den CO2-Emissionen zusammenhängen.

Mit aufwendigen statistischen Methoden zeigten Haberl und sein Team, dass die in einem Land verbaute Fläche pro Einwohner nach dem BIP durchgehend den zweitgrößten Einfluss auf die Emissionen hatte. Selbst wenn die Forscherinnen und Forscher den entsprechend großen Zusammenhang zwischen BIP und CO2 herausrechneten, fand sich „ein sehr starker zusätzlicher Effekt“ durch die Verbauung, so Haberl.

Politisch sei das hochrelevant. So ist der Bodenverbrauch in Österreich seit Längerem ein „heiß diskutiertes Thema“. Erst vergangene Woche scheiterte erneut ein Versuch, sich auf eine „Österreichische Bodenschutzstrategie“ zu einigen. „Das zeigt wieder die geringe Priorität von Klimaschutz.“

„Nicht ‚nur‘ Verschandelung der Landschaft“

Die neue Studie mache deutlich, wie stark Klima- und Bodenschutz zusammenhängen, sagte Haberl. Mehr Verbauung bringe eben nicht „nur“ eine Verschandelung der Landschaft, sondern auch übermäßig mehr Treibhausgasemissionen mehr oder weniger automatisch mit sich. Das sei "plausibel, da Straßen, Autobahnen, Parkplätze und Gebäude für ihren Bau und ihre Nutzung Energie benötigen, was in unserem fossilenergiedominierten Energiesystemen zu hohen CO2-Emissionen führt.

Zusätzlich bebaute Fläche bedeutet auch eine größere beheizte oder gekühlte Fläche in Gebäuden und längere Entfernungen zwischen den Zielen, was den Energiebedarf in Gebäuden und im Verkehr erhöht", so Studien Koautor Felix Creutzig vom Climate Change Center Berlin Brandenburg und vom Mercator Research Institute (MCC) Berlin in einer Aussendung.

Umgekehrt helfe „Bodenschutz also auch, den Ressourcenverbrauch zu begrenzen. Das ist sozusagen die neue Aussage aus der Studie“, so Haberl. Nicht vergessen sollte man auch, dass der Aufwand, um ein System zu „dekarbonisieren“ entsprechend anwächst, je größer das System insgesamt ist.