Süßstoffe aus der Dose
sabdiz/stock.adobe.com
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WHO-Bewertung

Aspartam „möglicherweise krebserregend“

Was seit Wochen in zahlreichen Medien kolportiert wird, steht nun offiziell fest: Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Aspartam als „möglicherweise krebserregend“ ein. Es gebe „begrenzte Belege“ für einen Zusammenhang. An den Empfehlungen des WHO-Sachverständigenausschusses für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) zum Verzehr des Süßstoffes ändert sich allerdings vorerst nichts.

Das kalorienarme Süßungsmittel Aspartam ist in Europa für die Verwendung als Tafelsüßstoff und als Lebensmittelzusatzstoff in Nahrungsmitteln zugelassen – etwa in Getränken, Desserts, Süßwaren, Milchprodukten, Kaugummi, kalorienreduzierten Produkten und Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle. Das Süßungsmittel wird seit Jahrzehnten umfassend untersucht. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gilt Aspartam aufgrund eingehender Sicherheitsbewertungen bisher als unbedenklich für den menschlichen Verzehr.

Drei Humanstudien

Die WHO-Krebsforschungsagentur IARC beruft sich in ihrer neuen Einschätzung nun auf „begrenzte Evidenz“ für die krebserregende Wirkung beim Menschen bezüglich des hepatozellulären Karzinoms, einer Form von Leberkrebs. Diese Einschätzung basiert auf drei Studien, die einen nicht eindeutigen positiven Zusammenhang zwischen dem Konsum von künstlich gesüßten Getränken und dem Leberkrebsrisiko festgestellt haben.

In Tierstudien mit Mäusen und Ratten zeigte sich ebenfalls eine höhere Tumorrate, allerdings wurden diese Untersuchungen wegen der hohen Süßstoffdosis und wegen methodischer Mängel kritisiert. In Laborstudien gibt es begrenzte Hinweise darauf, dass Aspartam oxidativen Stress erzeugen kann, wodurch Schäden an Zellen und deren Funktionen entstehen können. Experimente deuten weiters darauf hin, dass der Süßstoff eine chronische Entzündungsreaktion auslösen und in den Mechanismus der Zellalterung eingreifen kann. Das wiederum kann die Entstehung von Krebs begünstigen. Eine aktuelle Zusammenfassung der Bewertungen wurde heute auch im Fachmagazin „The Lancet Oncology“ publiziert.

Zweitniedrigste Kategorie

"Möglicherweise krebserregend“ ist eine von vier Klassifikationsstufen der WHO, nämlich die zweitniedrigste. Auf dieser Stufe finden sich unter anderem Produkte aus Aloe Vera-Blättern oder die Arbeit in einer Tischlerei.

„Die neue Bewertung von Aspartam durch die IARC ist für mich sehr überraschend, da sich die Evaluierung zumindest auf Basis der verfügbaren Informationen im Wesentlichen auf die Ergebnisse von drei Studien stützt, die zudem ‚nur‘ positive Assoziationen zwischen dem Konsum von künstlich gesüßten Getränken und dem Krebsrisiko ermittelten“, so Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften der Universität Wien in einem Statement gegenüber dem deutschen Science Media Center zu der neuen Bewertung. „Insgesamt steht die Bewertung der IARC auf eher schwachen Beinen, dies wird aber auch durch den Hinweis auf eine begrenzte Evidenz eingeräumt.“

Bis zu 40 Milligramm

Die neuen IARC-Klassifizierungen spiegeln also die Stärke der wissenschaftlichen Beweise dafür wider, ob ein Stoff beim Menschen Krebs verursachen kann. Sie spiegeln dagegen nicht das Risiko wider, bei einer bestimmten Dosis Krebs zu entwickeln. Ein wesentlicher Faktor ist nämlich die Menge, in der man den Süßstoff zu sich nimmt: Darauf weist der Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der WHO (JECFA) hin, der sich mit der Beurteilung menschlicher Gesundheitsrisiken nach dem Verzehr bestimmter Stoffe beschäftigt.

Er kommt zu dem Schluss, dass es keine überzeugende Evidenz gibt, dass Aspartam nach der Einnahme schädliche Wirkungen hat. Der Ausschuss bestätigte daher erneut die akzeptable Tagesdosis von null bis 40 Milligramm Aspartam pro Kilogramm Körpergewicht. Ein 70 Kilogramm schwerer Erwachsener müsste mehr als 9 bis 14 Dosen Diätsoftdrinks pro Tag konsumieren, um diesen Wert zu überschreiten.

„Sinnvolle Empfehlung“

„Offensichtlich und meiner Ansicht nach zu Recht waren die in der Zwischenzeit erschienenen Studien kein Grund für die JECFA, die bisher empfohlene maximale Tagesdosis (acceptable daily intake, ADI) des JECFA und auch der EFSA zu revidieren. Diese Empfehlung halte ich weiterhin aufgrund der Studienlage für sinnvoll“, meint König zu dieser Empfehlung.

Vom Internationalen Süßstoffverband heißt es in einer Reaktion auf die Einstufung der WHO: Die Bewertung von Aspartam sei wissenschaftlich nicht umfassend und stütze sich auf weithin umstrittene Forschungsergebnisse. Der Internationale Rat der Getränkeverbände sagte, die Einstufung könnte Menschen dazu verleiten, mehr Zucker zu konsumieren, statt sich für zuckerfreie Alternativen zu entscheiden.