Zeemankrater nahe dem Südpol auf der Rückseite des Mondes
APA/AFP/Russian Space Agency Roscosmos
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Raumfahrt

Mondlandung „alles andere als trivial“

Auch wenn die erste Mondlandung über 50 Jahre her ist: Das Scheitern der russischen Mondmission „Luna 25“ zeigt, dass das Unterfangen bis heute „alles andere als trivial ist“, meint der Weltraumforscher Manuel Scherf. Seit Beginn der Raumfahrt bis zum Jahr 2019 seien rund 40 Prozent aller Mondmissionen gescheitert.

„Luna 25“ war am Sonntag außer Kontrolle geraten und auf die Mondoberfläche abgestürzt. Die russische Mission reiht sich damit in eine lange Liste von Fehlschlägen ein: Alle erfolgreichen Landungen auf dem Erdtrabanten sind zwischen 1966 und 1976 erfolgt, erst China gelang es 2020, mit „Chang’e 5“ wieder eine Sonde erfolgreich am Mond zu landen, sagte Manuel Scherf vom Institut für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz.

Keine Atmosphäre, schwierige Oberfläche

Scherf nennt mehrere Gründe, die ein kontrolliertes Aufsetzen auf dem Mond erschweren: Zunächst besitze der Mond keine Atmosphäre, was eine Landung im Vergleich zur Erde oder auf dem Mars schon relativ schwierig mache. Man könne daher keine Fallschirme verwenden, um den Fall zu bremsen, sondern sei ausschließlich auf Triebwerke angewiesen. Dabei müsse man auch möglichst Treibstoff-effizient sein, weil zusätzlicher Sprit die Sonde schwerer macht, was wiederum mehr Treibstoff für die Landung erfordert – für Korrekturen bleibe da wenig Spielraum.

Nicht einfach macht es den Raumfahrtingenieuren auch die Oberfläche des Mondes. Da ist einerseits der weit verbreitete Regolith, der große Flächen als dicke Staubschicht bedeckt. „Bei der Landung wirbeln die Triebwerke diesen Staub auf, was die Funktion von Sensoren beeinträchtigen – und bei einer automatischen Landung katastrophal sein kann, weil man keine Daten mehr bekommt“, so Scherf.

Andererseits gibt es auf der Mondoberfläche sehr viele Krater und Geröll. „Schon Apollo 11-Kommandant Neil Amstrong musste den automatischen Anflug abbrechen, weil bei der Landestelle Gestein auftauchte, und die Mondlandefähre ‚Eagle‘ manuell steuern“, betonte der Experte.

Schlechte Lichtverhältnisse am Südpol

Speziell in der Südpolregion des Mondes, wo die Russen mit „Luna 25“ aufsetzen wollte, sei die Suche nach einer geeigneten Landestelle schwierig, weil die Lichtverhältnisse dort sehr schlecht seien. Der Grund dafür ist, dass die Sonne sehr flach einfällt und es daher große Schatten gibt. Viele Gebiete seien permanent im Schatten und man könne die Oberfläche nur schwer einschätzen.

Nicht zu vernachlässigen seien bei einer automatischen Landung auch Unterschiede im Schwerefeld des Mondes, die man ausgleichen müsse. Scherf erinnert auch daran, dass man in den 1960er und 1970er Jahren sehr viel Geld in den Wettlauf zum Mond investiert habe. Heute sei man sicher budgetär stärker beschränkt, auch wenn die Technologie weiter sei als damals.

Russische Mondmission gescheitert

Die vor knapp zwei Wochen gestartete russische Sonde Luna-25 ist auf die Mondoberfläche gestürzt und dort zerschellt, teilte die russische Weltraumbehörde Roskosmos am Sonntag mit.

Frage des Prestiges

Angesichts all dieser Herausforderungen versteht Scherf nicht ganz, warum die Russen es nicht so wie Indien oder China gemacht haben, und sich zunächst mit Orbiter-Missionen wieder an den Mond angenähert haben. Schließlich habe Russland seit den 1970er Jahren keinen Landeversuch mehr durchgeführt. Da sei es wohl auch um das Prestige gegangen, kurz vor den Indern – und überhaupt zum ersten Mal – eine Sonde in der Südpol-Region des Mondes zu landen, die besonders wegen der dort vorhandenen Wasservorkommen interessant ist.

Aus diesem Grund ist der Wissenschaftler auch bezüglich der Mission „Chandrayaan-3“ „etwas optimistischer, weil die Inder in den vergangenen Jahren schon einige Missionen hatten, daraus lernen konnten und auch von ‚Chandrayaan-2‘ einiges mitgenommen haben“. Die Sonde ‚Chandrayaan-2‘ ist 2019 wegen eines Softwarefehlers auf der Mondoberfläche zerschellt, das Landemodul der Nachfolgemission „Chandrayaan-3“ soll am Mittwoch oder Donnerstag auf dem Erdtrabanten aufsetzen.

Evolution von Mond und Erde

Aus wissenschaftlicher Sicht hofft Scherf jedenfalls auf das Gelingen jeder Mondmission, weil sich damit viele wissenschaftliche Rätsel lösen ließen – nicht nur über den Mond selbst, sondern auch über die Erde. „Denn die Frage, wie der Mond entstanden ist, kann uns auch etwas darüber lehren, wie die Erde entstanden ist“, sagte der Wissenschaftler.

So könnte der Regolith speziell auf der Mondrückseite noch Spuren der Erdatmosphäre enthalten, die im Laufe der Zeit in das All entweicht und sich eventuell dort ablagert. „Es wäre interessant, den Regolit von der Mondrückseite isotopentechnisch zu untersuchen, und dabei über die Evolution der Erdatmosphäre zu lernen.“