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APA/BARBARA GINDL
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Klimaerwärmung

Europas Skigebieten geht der Schnee aus

Die Klimaerwärmung wird sich laut einer neuen Studie stark auf den Skitourismus in Europa auswirken. Bei zwei Grad plus und ohne Kunstschnee werde rund die Hälfte der Skigebiete ein „sehr hohes Risiko für Schneemangel“ bekommen, bei vier Grad plus betrifft das fast alle. Skifahren in Österreich wird dank Beschneiungsanlagen vermutlich länger möglich sein als in anderen Ländern – ökologisch ist das allerdings sehr umstritten.

Denn die künstliche Beschneiung erhöht den Wasser- und Energiebedarf. Zudem kann sie auch nur bei ausreichend niedrigen Temperaturen erfolgen, schreibt ein Team um Samuel Morin vom Centre National de Recherches Meteorologiques in Grenoble im Fachjournal „Nature Climate Change“. Es gelte daher zu überdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, die hohe Abhängigkeit vom Wintertourismus in bestimmten Regionen aufrechtzuerhalten. Zu dem Forschungsteam gehören auch David Neil Bird, Judith Köberl und Franz Prettenthaler vom Joanneum-Research-Institut für Klima, Energiesysteme und Gesellschaft (LIFE) in Graz.

Bedeutsamster Standort für den Skisport

Europa ist der bedeutsamste Standort für den Skisport: Etwa die Hälfte aller Skigebiete weltweit und über 80 Prozent jener mit mehr als einer Million Nutzerinnen und Nutzern jährlich liegen hier. Die Studie betrachtet die Lage für über 2.200 solcher Gebiete in Europa bei einer Erwärmung von bis zu vier Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. Bei vier Grad hätten der Modellierung zufolge praktisch alle Skigebiete ein sehr hohes Risiko einer unzureichenden Schneelage, wobei es große regionale Unterschiede gibt.

Während zumindest in einigen wenigen Skigebieten in Österreich, der Schweiz, Frankreich und in den nordischen Ländern selbst bei vier Grad Erwärmung noch Skisport möglich wäre, sieht es für andere Gebiete wie etwa die Apenninen in Italien, die iberischen Berge und auch in Großbritannien „schon sehr viel früher sehr schlecht aus“, erklärte Studienmitautor Prettenthaler.

Kunstschnee verringert Risiko ein wenig

In der Studie wurde neben dem natürlichen Niederschlag aber auch der Faktor Beschneiung berechnet: Wenn die Hälfte der Fläche der Skigebiete beschneit werden kann, verringert sich der Prozentsatz des Risikos zwar, aber immer noch sind bei einem Plus von zwei Grad Celsius 27 Prozent der europäischen Skigebiete und bei vier Grad Celsius 71 Prozent von einem sehr hohen Schneemangelrisiko betroffen.

Die Erzeugung von Kunstschnee erhöht allerdings auch den Bedarf an Wasser und Strom und bringt damit zusätzliche CO2-Emissionen mit sich, die die globale Erwärmung weiter antreiben. Außerdem ist eine Beschneiungsanlage noch keine Garantie dafür, dass diese bei Bedarf eingesetzt werden kann – beispielsweise, wenn die Temperaturen zu hoch sind, und genau dieser Effekt wurde erstmals flächendeckend mitberücksichtigt.

Insgesamt bleibe der Beitrag zu den CO2-Emissionen durch Beschneiung nur ein relativ kleiner im gesamten Wintertourismus, sagte Prettenthaler. Beherbergung und Anreise stoßen weit mehr Emissionen aus: „Die Beschneiung wird da meist überschätzt, aber ohne sie wäre wiederum wohl vielerorts überhaupt kein Wintertourismus möglich.“

Österreich setzte früh auf Beschneiung

Der Grazer Forscher geht davon aus, dass sich Beschneiung daher wirtschaftlich noch sehr lange rentieren wird, ob das auch ökologisch so lange sinnvoll ist, sei zu diskutieren. Er sieht außerdem bereits erste Opfer der bisherigen Klimaerwärmung, denn viele kleine Skigebiete ohne Beschneiung hätten bereits den Betrieb eingestellt.

Konkret auf Österreichs Skigebiete angesprochen, meinte Prettenthaler, dass sich viele bereits für einen Temperaturanstieg um zwei Grad Celsius „sicher gemacht“ hätten. „Österreich hat auch relativ früh auf Beschneiung gesetzt und damit einige Skigebiete retten können.“

Prognose: Anteil der österreichischen Skigebiete mit sehr hohem Risiko von Schneemangel (mindestens jede zweite Jahr), nach Ausmaß der globalen Erwärmung, mit und ohne künstliche Beschneiung,
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Uni Grenoble/Joanneum Research

In Österreich wurden für die Studie 294 Skigebiete mit zusammen 221 Quadratkilometer Fläche analysiert. Es stellte sich heraus, dass bei zwei Grad Erwärmung plus 50-prozentiger Beschneiung trotzdem etwa drei Prozent der österreichischen Skigebiete ein hohes Risiko an Schneearmut haben werden. Bei drei Grad sind es 13 Prozent, und bei vier Grad wären 38 Prozent der österreichischen Skigebiete von einem sehr hohen Risiko an Schneemangel betroffen, trotz Beschneiungsanlagen.

Vier Grad plus: Vier von fünf Wintern schneearm

Die Autorinnen und Autoren betonen zwar, dass die Vorhersagen zur Beschneiung auf vereinfachten Annahmen basieren und ihre Ergebnisse nicht als endgültig angesehen werden sollten. Dennoch bieten sie Möglichkeiten, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Skitourismusbranche besser zu berücksichtigen.

Im Übrigen sei nicht jeder schneearme Winter auf den verstärkten Klimawandel der vergangenen Jahrzehnte zurückzuführen: Schon in den Jahren 1961 bis 1990 war einer von fünf Wintern schneearm. Steigt die Temperatur um zwei Grad Celsius, werden es aber schon zwei von fünf sein, bei drei Grad schon drei von fünf Wintern, und bei vier Grad Celsius wären vier von fünf Wintern schneearm. An einen wirtschaftlichen Skibetrieb sei da ohne Beschneiung in 99 Prozent der Skigebiete nicht mehr zu denken, so Prettenthalers Fazit.

Umschwenken auf anderen Tourismus?

Die Studie sei mit Einschränkungen und Vereinfachungen verbunden, für detaillierte lokale Ergebnisse müssten weitere Daten einbezogen werden, so die Fachleute, etwa zu Lage, Merkmalen der genutzten Beschneiungsanlagen sowie Verfügbarkeit von Wasser und Energiequellen. In lokale Betrachtungen zur Zukunft des Skitourismus müssten zudem auch andere Parameter einfließen – etwa zum Verhalten von Skifahrerinnen und Skifahrern. Auf viele wirkt eine von Grün umgebene Kunstschneepiste eher abschreckend als attraktiv.

Zudem sei fraglich, ob CO2-intensive Tourismusaktivitäten wie Skifahren in seiner derzeitigen Form mit den nötigen weitreichenden Maßnahmen für eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad vereinbar seien. Selbst wenn ein wesentlicher Teil der europäischen Skigebiete noch lange in der Lage sein könnte, Skitourismus anzubieten, wäre es eine große Herausforderung, den erforderlichen Anteil bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen zu leisten.

In einem Kommentar zur Studie schreibt Paul Peeters von der Breda University of Applied Sciences (Niederlande), dass davon auszugehen ist, dass Größe und Zahl der europäischen Skigebiete infolge der in den meisten Berggebieten schwindenden Schneedecke abnehmen werden. Für viele betroffene Gebirgsregionen könne ein Umschwenken auf andere Formen des Tourismus sinnvoller sein, sowohl in wirtschaftlicher als auch ökologischer Hinsicht.