ABD0018_20170522 – WIEN – …STERREICH: THEMENBILD – Eine Volksschullehrerin unterrichtet am Dienstag 16. Mai 2017 in Wien in einer Offenen Volksschule (OVS) SchŸlerinnen und SchŸler einer Integrationsklasse. – FOTO: APA/HARALD SCHNEIDER
APA/Harald Schneider
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Kritik

Schulen starten mit schlechter Luft

Demnächst beginnt in Österreich wieder die Schule. Spätestens seit der Pandemie wird von vielen Seiten gefordert, mehr für bessere Luft in den Klassenräumen zu tun – auch, um die Verbreitung von Viren einzudämmen. Aber auch für diesen Herbst sieht eine Initiative aus Lehrerinnen, Forschern und Eltern die Schulen nicht ausreichend vorbereitet.

Als „schlecht“ bezeichnet die Obfrau der Initiative Gesundes Österreich (IGÖ), Beatriz Villegas Sierra, die Luftqualität in österreichischen Bildungseinrichtungen – in Schulen ebenso wie in Kindergärten: „Mittlerweile ist die Situation wieder wie vor der Pandemie – es wird kaum gelüftet, und wenn, dann mit recht ineffizienten Methoden. Es gibt nur wenige Ausnahmen, die großteils auf Privatinitiativen zurückgehen."

Stoßlüften ineffizient und nicht nachhaltig

CO2-Messer und Luftreiniger werden laut IGÖ kaum eingesetzt. Eine Anfrage bei den neun Bildungsdirektionen des Landes zeigt, dass man bei Neubauten – auch aufgrund einer entsprechenden Vorgabe des Bildungsministeriums – mittlerweile sogenannte raumlufttechnische Anlagen einbaut. Bei älteren Gebäuden wurde kaum nachgerüstet und nur für einen Bruchteil der Schulen Luftreinigungsanlagen angefordert.

In den Bundesländern setzt man überwiegend auf Stoßlüftung durch geöffnete Fenster, viele Bildungsdirektionen empfehlen das auf Anfrage von Ö1 ausdrücklich – Villegas Sierra sieht das kritisch: „Wir haben Messungen in verschiedenen Schulen in Österreich durchgeführt. Sie zeigen deutlich, dass die Stoßlüftung nicht ausreicht. Sie senkt den CO2-Wert nur kurzfristig und wirkt nicht nachhaltig.“

Luftqualität ernst nehmen

Stattdessen empfiehlt die IGÖ, über dauerhaft gekippte Fenster zu lüften oder Luftreinigungsanlagen zu verwenden, wie sie nun bei Neubauten vorgesehen sind. Außerdem sollte mit CO2-Messern die Luft kontrolliert werden, denn das Gefühl täuscht. Wenn die Luft schon spürbar schlecht ist, sind die CO2-Werte schon weit über den empfohlenen Grenzen, wie eine Studie gezeigt hat.

Die Bauphysikerin Christina Hopfe von der Technischen Universität Graz leitet ein neues Forschungsprojekt zu Luftqualität in Schulen, in das ab Herbst die Luftqualität in 120 Schulen gemessen wird. Sie plädiert dafür, Kriterien für gute Luft so streng zu formulieren, wie es auch in anderen Bereichen der Fall ist: „Wir haben eine TÜV-Prüfstelle für unsere Autos und Geschwindigkeitsbegrenzungen für den Straßenverkehr. So sollten wir auch beim Innenraumklima vorgehen: die Geräte kontrollieren und Grenzwerte definieren, deren Einhaltung ebenfalls kontrolliert wird. Wir haben zwar Richtlinien, aber es wird viel zu wenig umgesetzt.“

Infektionsschutz durch gute Luft

IGÖ-Obfrau Beatriz Villegas Sierra betont: „So wie wir sauberes Wasser trinken und sichere Nahrungsmittel essen, so wollen wir auch saubere Luft atmen. Luft ist ein Lebensmittel und es sollte auch als solches behandelt und kontrolliert werden. Alle pädagogischen Räume bzw. auch alle öffentlich zugänglichen Innenräume brauchen eine bessere Luftqualität.“

Und sie verweist auf andere europäische Länder, in denen sie größere Fortschritte sieht: „Belgien hat im November 2022 ein Gesetz zur Verbesserung der Luftqualität in öffentlich zugänglichen Räumen erlassen. Es legt Referenzwerte fest, in deren Einhaltung auch investiert wird.“ Frankreich habe CO2-Messungen in der Heizperiode verpflichtend für Gesundheitseinrichtungen, Kindergärten, Betreuungseinrichtungen und Schulen gemacht. Werden Grenzwerte überschritten, müssen sofort Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergriffen werden.

Österreich sollte sich diese Länder zum Vorbild nehmen, so die Obfrau der IGÖ. Denn gute Luft sei nicht nur eine Voraussetzung, um gut zu lernen, sie senkt auch das Infektionsrisiko – nicht nur bei Corona, sondern auch anderen Erkrankungen, die ab Herbst wieder vermehrt kursieren.