Studie

Hygiene als Allergieauslöser überschätzt

Übertriebene Hygiene in Industrienationen ist womöglich kein maßgeblicher Auslöser von Allergien. Das zeigt nun eine Studie mit österreichischer Beteiligung. In Versuchen mit Mäusen zeigten keimfrei gehaltene Tiere nicht mehr allergische Reaktionen als Mäuse, die vielen verschiedenen Mikroben ausgesetzt waren.

Ein Team um Jonathan Coquet und Susanne Nylen vom Karolinska Institut in Stockholm testete die Hygienehypothese bei Mäusen. Diese besagt, dass früher Kontakt zu unterschiedlichen Keimen in der Kindheit das Risiko für spätere allergische Erkrankungen vermindert. Man vermutet, dass das Immunsystem dadurch toleranter wird und weniger leicht überreagiert, wenn es etwa auf Hausstaubmilbenkot und Beifußpollen trifft.

An der Studie, die nun im Fachjournal „Science Immunology“ veröffentlicht wurde, waren auch Susanne Vrtala und Huey-Jy Huang vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der Medizinischen Universität Wien beteiligt.

Die Forscherinnen und Forscher verglichen, wie sehr keimfrei gehaltene Labormäuse und Wildlingmäuse auf Allergieauslöser reagieren. Wildlingmäuse sind genetisch identisch mit Labormäusen, wurden aber als Embryonen in „wilde“ Mäusemütter verpflanzt, von diesen ausgetragen und geboren. Sie hatten dadurch von klein auf Kontakt mit einer Vielzahl an Mikroben.

Immunsystem reagiert ähnlich auf Allergene

Das Immunsystem der Wildlinge reagierte bei den Tests ähnlich stark wie bei den Labormäusen. Wenn sie Allergenen ausgesetzt waren, zeigten sich in den Wildlingen ebenfalls „robuste Zeichen von krankmachenden Entzündungsreaktionen und allergischen Immunantworten“, heißt es in der Fachpublikation. Trotz der Besiedelung mit natürlichen Mikroorganismen waren sie also nicht vor allergischen Reaktionen gefeit.

„Man kann also nicht einfach sagen: Ein schmutziger Lebensstil stoppt Allergien und Sauberkeit löst sie aus“, erklärte Coquet gegenüber „Science Immunology“. Das sei vielleicht in Spezialfällen möglich, aber wohl keine allgemeine Regel. „Unsere Studie zeigt, dass eine allgemeine und umfassende Exposition gegenüber Mikroben möglicherweise nicht die eindeutig positiven Auswirkungen hat, die wir uns wünschen“, so Nylen.

Studie entkräftet Hypothese „nicht komplett“

Laut an der Studie unbeteiligten Forschern können die Versuchsergebnisse die Hygienehypothese aber nicht komplett entkräften. „Bei immunologischen Studien muss immer klar hervorgehoben werden, dass die Immunantwort bei Mäusen und Menschen unterschiedlich ist“, so etwa Eva Untersmayr-Elsenhuber, die ebenfalls am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der Meduni Wien tätig ist, gegenüber dem deutschen Science Media Center. Mausmodelle seien „relevant, um Mechanismen zu untersuchen, aber die Bestätigung der Daten muss immer bei Patienten erfolgen“.