Der Testzug am Verschiebebahnhof Kledering
ORF – Paul Sihorsch
ORF – Paul Sihorsch
Eisenbahn

„Smarte“ Züge für klimafitteren Verkehr

Mehr Gütertransport mit der Bahn, damit der Verkehr in Europa klimafreundlicher wird: Zu diesem Ziel können „smarte“ Güterwaggons beitragen, die sich schneller kuppeln lassen. Aktuell sind digitale und schnellere Kupplungen im Testbetrieb, bis 2030 sollen sie flächendeckend eingesetzt werden – doch der Einführungstermin wackelt.

Es ist bereits der dritte Anlauf, den Güterverkehr in Europa effizienter zu gestalten – nun scheint die „Digitale Automatische Kupplung“ (DAK) zu funktionieren, wie erste Tests – unter anderem in Österreich – zeigen. Neu ist, dass Güterzüge mit der Verbindung „smart“ werden.

Eine Verbindung für alles

Heute werden Güterwagen mit einem Haken verbunden. Die „Verschieber“ der Eisenbahngesellschaften müssen diesen Haken einhängen und die sogenannte Schraubkupplung schließen. Sie arbeiten bei jedem Wetter, hauptsächlich nachts – die digitale Kupplung soll diese Arbeit einfacher machen.

TV-Sendungshinweis

Die Funktionsweise der Kupplung sehen Sie in „Mayrs Magazin“, 6.10, 18:30, ORF2.

Martin Kozek vom Institut für Mechatronik der Technischen Universität Wien: „Die Kupplung verriegelt mechanisch – außerdem gibt es Verbindungen für Druckluft, Strom und eine Datenverbindung. Damit kann zum Beispiel eine automatische Bremsprobe durchgeführt werden.“ Derzeit wird die Probe für jeden Wagen einzeln gemacht, das kann laut Kozek bis zu 45 Minuten dauern. Die „DAK“ ermöglicht es, die Probe von der Lok aus innerhalb kurzer Zeit durchzuführen.

Digitale Kupplung für Güterzüge

Der Güterverkehr sollte aus Gründen des Klimaschutzes dringend ausgebaut werden. Damit das klappt, soll die Bahn digital und damit effizienter werden und zwar mit der sogenannten Digitalen Automatischen Kupplung. In Europa werden die Kosten allerdings auf 20 Milliarde Euro geschätzt.

Bedienung über Internet in finaler Variante

Der Testzug, der nun in Österreich unterwegs ist, hat zwei Varianten der Kupplung an Board: Generation drei der „DAK“ muss noch mechanisch per Hand an der Kupplung ausgelöst werden, bei Generation vier gibt es schon einen Knopf am Wagen. Künftig soll der Kuppelvorgang dann über das Internet erfolgen. Von einer Leitstelle aus können Wagen ge- und entkuppelt werden – damit ist es möglich, schneller neue Güterzüge zu bilden.

„Man kann sich vorstellen, dass das längere Entwicklungszeiten benötigt“, ergänzt der Mechatronik-Experte, der auf das Thema Sicherheit anspielt. Mittlerweile zieht sich die Entwicklung einer derartigen Kupplung Jahrzehnte hin. Einerseits war sich Europa uneins über einheitliche Standards, andererseits muss die Kupplung von Norwegen bis Spanien bei jeder Witterung funktionieren.

In Österreich können Güterzüge bis zu 700 Meter lang werden – es wirken extreme Kräfte auf die Verbindungen. Die „Digitale Automatische Kupplung“ muss diese Kräfte aufnehmen können – Puffer gibt es künftig nicht mehr. Nicht zuletzt deshalb ist die Entwicklung alles andere als trivial.

Die dritte Version der Digitalen Automatischen Kupplung.
ORF/Paul Sihorsch
Die Kupplung – im Bild die Generation drei – muss auch den Kräften des Zuges standhalten

Mehr Effizienz und Sicherheit

Im Hinblick auf die Verkehrswende müssten viel mehr Güter auf der Schiene transportiert werden, allerdings ist das teuer und komplex. Bei Gütern wie Kohle oder Getreide kann die Bahn laut ÖBB ihre Stärken ausspielen, beim Versandhandel mache der LKW mit großem Vorsprung das Rennen. Durch die „DAK“ können Stehzeiten in den Verschiebbahnhöfen reduziert werden, das bringe mehr Effizienz.

„Durch den digitalen Güterzug können auch mehr Züge auf der Strecke unterwegs sein. Der Zug erkennt, ob alle Wagen einen Streckenabschnitt verlassen haben und können ihn für den nächsten Zug freigeben“, sagt Martin Kozek. Sebastian Kummer Logistikexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien ergänzt: "Für mehr Züge auf der Strecke braucht es auch einen Ausbau des Zugsicherungssystems. Dieser ist unabhängig von der „DAK" nötig und umsetzbar.“ Wie bei der Kupplung, gibt es auch beim Ausbau des sogenannten „European Train Control System“ (ETCS) Verzögerungen.

Als große Hürde gilt auch die schiere Menge an Güterwagen in Europa. Je nach Einführungsdatum müssen europaweit 300.000 bis 400.000 Wagen umgerüstet werden, und nur wenn einheitlich gefahren wird, bringt die neue Kupplung Vorteile. Die Kosten für das Projekt „DAK“ werden heute auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt.

Verschieber löst die Automatische Kupplung aus.
ORF/Paul Sihorsch
Ältere Generationen der „DAK“ werden für die Tests noch per Hand ausgelöst, künftig passiert das über den Computer

Digitalisierung versus Arbeitsplätze

China und die USA haben bereits automatische Kupplungssysteme im Einsatz – in Europa wird das Thema ebenfalls schon länger diskutiert. „Vor 30 Jahren gab es schon Vorschläge für eine derartige Kupplung. Es gab auch sehr erfolgreiche Versuche der Deutschen Bahn“, blickt Sebastian Kummer zurück. Damals gab es aber auch Bedenken, dass die digitale Kupplung Arbeitsplätze kosten könnte.

Heute ist die Situation anders. Die ÖBB suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verschub, können aber Stellen nicht nachbesetzen. „Das können wir mit der neuen Kupplung kompensieren“, sagt ÖBB-Projektmanager Mark Topal. „Auf dem Weg der Digitalisierung und Automatisierung von Schienengüterverkehr wird es noch sehr viele von den alten Jobs brauchen und ganz viele neue geben.“ Heute werde niemand den Arbeitsplatz verlieren durch die „DAK“, so Topal.

Vor der flächendeckenden Einführung 2030 muss die Kupplung Serienreife erreichen. Der Zeitplan der Projektbetreiber sieht 2026 100 Testzüge vor, ab 2028 soll schrittweise umgerüstet werden. Kozek und Kummer halten diesen Zeitplan für ambitioniert, wenn nicht sogar unrealistisch.