Regenwald um La Gamba in Costa Rica
La Gamba
La Gamba
30 Jahre La Gamba

Regenwaldforschung aus der Hängematte

Vor 30 Jahren haben zwei Wiener Botaniker im Regenwald Costa Ricas die Forschungsstation La Gamba gegründet. Seit damals wurden zahlreiche Entdeckungen gemacht, von einer neuen Kakaosorte bis zu Wanzen, die bestäuben. Die Arbeit im „Regenwald der Österreicher“ ist dabei hart – doch mitunter kann sie auch von der Hängematte aus verrichtet werden.

Auf einem Hektar Boden im Tieflandregenwald an der Pazifikküste Costa Ricas wachsen 180 verschiedene Baumarten. In einem gut durchmischten Mischwald in Mitteleuropa sind es im Vergleich zwischen fünf und zehn. Das haben die beiden Botaniker Anton Weissenhofer und Werner Huber Anfang der 1990er Jahre in ihren Diplomarbeiten im „Regenwald der Österreicher“ festgestellt. So artenreich, wie das Leben dort ist, so divers sind auch die Forschungsprojekte, die in der 1993 gegründeten Forschungsstation La Gamba durchgeführt werden. Das zeigen drei Beispiel aus der jüngeren Zeit.

Wanzen als Bestäuber

Wanzen sind nicht nur Pflanzenschädlinge, sie können auch bestäuben und damit sehr nützlich sein. Das entdeckte ein Team um den Biologen Florian Etl. Er hat seine Beobachtung sprichwörtlich im Vorgarten der Tropenstation gemacht, „direkt vor den Zimmern in der Hängematte liegend hatte Florian das anfangs beobachtet“, erzählt Werner Huber, „dann hat er natürlich seine Forschungen im Wald und anderswo ausgedehnt“. Dabei fielen ihm Weichwanzen auf der Blüte von Syngonium, einer Gattung aus der Familie der Aronstabgewächse, auf.

Bestäubende Weichwanzen auf weiblichen Blüten von Syngonium
Florian Etl
Bestäubende Weichwanzen auf weiblichen Blüten von Syngonium

Sendungshinweise

Multimedialer ORF-Schwerpunkt „Regenwald der Österreicher“: Ö1-Vom Leben der Natur: Tropische Urwaldriesen und symbiotische Zwerge (16.-20.10, 8.55); Ö1-Dimensionen: 30 Jahre La Gamba (17.10., 19.05); Studio 2: Anton Weissenhofer & Werner Huber live im Studio (18.10, 17.30, ORF 2); Mayrs Magazin: Magazinbeitrag (20.10, 18.30, ORF 2).

Bekannt waren Wanzen bis dahin ausschließlich als Pflanzenschädlinge, in diesem Fall aber zeigte sich bei näherer Untersuchung: Syngonium hatte sich dem vermeintlichen Schädlich im Laufe der Evolution so angepasst, dass die Wanze der Pflanze nun als Bestäuber dient. Das war der erste Fall eines wissenschaftlich nachgewiesenen Nutzens von Wanzen für Pflanzen überhaupt. Und bei der Gelegenheit haben die Wissenschaftler auch gleich einen neuen Duftstoff nachgewiesen und charakterisiert, den sie Gambanol genannt haben.

Vielversprechende Kakaosorte

Immer wieder erwirbt der Verein „Regenwald der Österreicher“ oder die Tropenstation La Gamba auch neue Grundstücke. Auf einem davon entdeckten die Fachleute Kakaobäume, verwildert und durchwachsen mit anderen Pflanzen. Ein paar dieser Bäume haben sie geerntet und probeweise Schokolade daraus anfertigen lassen.

Ein befragter Chocolatier in Österreich war von der Qualität begeistert. Jetzt versuchen die Menschen in La Gamba, die Kakaokultur mit dieser alten, dem Ort angepassten Sorte zu revitalisieren. Vorerst, indem sie die vorhandenen Pflanzen schneiden und pflegen. Vielleicht kommt später auch noch ein wissenschaftliches Projekt dazu, meint Anton Weissenhofer, denn „so ist das bei uns ganz oft: Es fängt mit einer Beobachtung klein an, und wenn es interessant ist, bleiben wir dran.“

Die Tropenstation La Gamba vor 30 Jahren
APA/ANTON WEISENHOFER
Die Tropenstation La Gamba vor 30 Jahren

Panamericana für Tiere und Pflanzen

Seit 2006 „drangeblieben“ sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Projekt COBIGA, Corridor biologico de la Gamba. Biologischer Korridor bedeutet, einzelne Waldstücke so zu verbinden, dass ein großer durchgängiger Waldbereich über weite Landstrecken entsteht. Das ist vor allem für Tiere und Pflanzen wichtig, die nie den Wald verlassen. Zwischen Wäldern, die durch Ackerflächen oder Siedlungen völlig voneinander getrennt sind, kann kein Austausch von Arten stattfinden, die Biodiversität geht mit der Zeit verloren. COBIGA ist ein kleiner Teil eines viel größeren Projekts, des Paseo Pantera, des „Pfads des Jaguars“, in dessen Rahmen ein durchgehender Waldkorridor über Mittelamerika und bis nach Südamerika entstehen soll. Vergleichbar dem Schnellstraßennetz, das die Westseite der amerikanischen Kontinente durchzieht, eine Art Panamericana für Jaguare und andere Wildtiere.

Zur Verbindung der Waldstücke reichen in vielen Fällen schon einzelne Bäume oder „lebende Zäune“, also Begrenzungen mit Baumbewuchs. Die Botanikerinnen und Botaniker in der Forschungsstation La Gamba haben in den vergangenen drei Jahrzehnten viel Wissen darüber gesammelt, welche Bäume für Wiederbewaldungen am besten geeignet sind, je nach Boden, Umgebungsvegetation, Hanglage,…. „Biologische Korridore“ werden in vielen Gegenden der Erde errichtet, oft auch unter Einbeziehung des Wissens aus der Tropenstation La Gamba.

Forschen und Lernen – mit der Lokalbevölkerung

Die Tropenstation La Gamba ist nicht nur Forschungs-, sondern auch Lern- und Weiterbildungsinstitution. Von Anfang an war es selbstverständlich, die Lokalbevölkerung in die Arbeiten miteinzubeziehen. Gemeinsam wird daran gearbeitet, den Tieflandregenwald mit seiner einzigartigen Biodiversität zu erhalten und gleichzeitig den Menschen in der Gegend ein umweltfreundliches Landwirtschaften und ein gutes Leben auf ihrem Land zu ermöglichen.

Dazu werden unter anderem regelmäßig Seminare veranstaltet, es gibt landwirtschaftliche Kurse oder Samenbörsen. Neben den vielen internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die für die Laufzeit ihrer Projekte kommen, sind es vor allem ortsansässige Menschen, die dauerhaft in der Tropenstation arbeiten, manche von ihnen schon seit 30 Jahren.