Nerven, Neuronen, Netzwerken
solvod – stock.adobe.com
solvod – stock.adobe.com
Medizin

Bei schwerem Schlaganfall retten Katheter Leben

Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute, um die Blut- und Sauerstoffversorgung im Gehirn wiederherzustellen. Die verursachenden Blutgerinnsel können etwa mit einem Katheter beseitigt werden – diese Methode senkt das Todesrisiko bei schweren Schlaganfällen laut einer neuen Studie deutlich.

„Bei knapp 20 Prozent der behandelten Patienten und Patientinnen konnte durch ein entsprechendes Verfahren der Tod oder eine Pflegebedürftigkeit verhindert werden“, berichtete jetzt das Hamburger Universitätsklinikum (UKE).

Auflösen von Blutgerinnseln

Vor rund 20 Jahren wurde begonnen, im Falle von ischämischen Schlaganfällen die Blutgerinnsel im Gehirn durch Medikamente aufzulösen (Thrombolyse). Schon das führte zu deutlich besseren Behandlungsergebnissen, weil bleibende Schäden durch die schnelle Wiederherstellung der Sauerstoffversorgung im Gehirn verhindert werden können.

In den vergangenen Jahren kamen immer öfter Kathetereingriffe zur mechanischen Beseitigung des Gerinnsels hinzu. Die besten Erfolge werden mit allen Behandlungen erzielt, wenn sie binnen viereinhalb oder sechs Stunden nach Auftreten der Symptome erfolgen – also möglichst schnell.

Je später, desto mehr Gewebe betroffen

Die Entwicklung geht aber weiter. „Die von der Europäischen Union mit sechs Millionen Euro geförderte TENSION-Studie wurde in 40 Schlaganfallzentren in acht Ländern Europas sowie in Kanada durchgeführt. Untersucht wurde die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einem akuten ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt), dem ein großer Gefäßverschluss zugrunde lag, der bereits zu einem größeren Infarktkern (Areal mit Absterben des Gewebes; Anm.) geführt hatte“, schrieb die Hamburger Klinik. An der Studie war auch Hannes Deutschmann von der Klinischen Abteilung für Neuroradiologie der MedUni Graz als Co-Autor beteiligt.

Bisher wurde die Katheterbehandlung von Schlaganfallpatienten vor allem bei Betroffenen durchgeführt, bei denen noch wenig Hirngewebe durch den Gefäßverschluss geschädigt worden war. Außerdem war das Zeitfenster für die Therapie zumeist begrenzt. In der Studie erfolgte die Behandlung aber auch bis zu zwölf Stunden nach Beginn der Symptome – zu einem Zeitpunkt also, an dem bereits mehr Gewebe geschädigt war.

Zwei Methoden verglichen

Die Fachleute versorgten die Patienten und Patientinnen nach dem Zufallsprinzip entweder mit der herkömmlichen Standardtherapie (Thrombolyse per Medikament etc.) oder zusätzlich mit einer Katheterbehandlung. „Bei dieser sogenannten endovaskulären Thrombektomie schieben Ärzte unter Röntgenkontrolle von der Leiste aus einen Katheter in die Arterien des Gehirns vor, um anschließend das Blutgerinnsel zu entfernen, das den Gefäßverschluss verursacht hat“, stellte das Hamburger Universitätsklinikum das Vorgehen dar.

Schon in der ersten Zwischenauswertung zeigten sich große Vorteile der Katheterbehandlung. Im Zuge der Auswertung des Krankheitsverlaufs von 253 Patienten und Patientinnen nach 90 Tagen waren deutlich mehr davon nach dem Schlaganfall nicht auf dauerhafte Hilfe angewiesen (zwei Prozent gegenüber 17 Prozent); 31 Prozent waren selbstständig gehfähig (gegenüber 13 Prozent in der Vergleichsgruppe mit medikamentöser Behandlung allein).

„Der Anteil an Patienten, die in Folge des Schlaganfalls gestorben sind oder pflegebedürftig wurden, war in der Gruppe mit Kathetertherapie um fast 20 Prozent geringer (69 gegenüber 87 Prozent), die Zahl der Todesfälle lag um elf Prozent niedriger (40 gegenüber 51 Prozent)“, teilten die Fachleute mit.

Studie wegen Erfolgs vorzeitig beendet

„Die Ergebnisse der TENSION-Studie zeigen, dass eine Katheterbehandlung auch bei schweren Schlaganfällen wirksam ist. Diese Behandlungsmethode kann dazu beitragen, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten weniger Folgeschäden entwickeln und ein Leben in größerer Selbstständigkeit führen. Auf dieser Grundlage kann die Standardtherapie bei schweren Schlaganfällen erweitert und so die Patientenversorgung verbessert werden“, sagte Studienkoordinator Götz Thomalla, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKE.

Aufgrund der so bereits frühzeitig nachgewiesenen Wirksamkeit der endovaskulären Thrombektomie bei schweren Schlaganfällen wurde die Studie nach der ersten geplanten Zwischenanalyse vorzeitig beendet. Sie wurde beim Welt-Schlaganfallkongress vor kurzem in Toronto präsentiert und in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ publiziert. In Österreich erleiden jährlich rund 25.000 Menschen einen Schlaganfall.