Quantenphysik

Wie Quasiteilchen miteinander wechselwirken

Quasiteilchen sind keine echten Teilchen. Sie eignen sich aber gut, um komplexe physikalische Vorgänge in Festkörpern zu erklären. Vor mehr als zehn Jahren ist es einem Innsbrucker Team gelungen, ein „widerspenstiges“ Quasiteilchen zu zähmen und in einem ultrakalten Quantengas „Polaronen“ zu erzeugen. Nun wurde erstmals beobachtet, wie mehrere Polaronen miteinander wechselwirken.

Elementarteilchen sind die kleinsten, unteilbaren Bausteine der Materie – dazu zählen etwa Elektronen oder Quarks. Andere Teilchen, beispielsweise Atome, sind aus diesen Elementarteilchen aufgebaut. Und dann haben Physiker das Konzept von „Quasiteilchen“ entwickelt. Dabei handelt es sich um Zustände in Festkörpern, die sich in gewisser Weise wie ein eigenständiges Teilchen verhalten.

Der russische Physiker Lew Landau (1908-1968) hat die Quasiteilchen „Polaronen“ eingeführt, „um die Bewegung von Elektronen im Festkörper zu beschreiben“, erklärte Rudolf Grimm vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck gegenüber der APA. Aufgrund seiner elektrischen Ladung erzeugt das Elektron um sich eine Polarisation, es verzerrt also gewissermaßen seine Umgebung. „Die Gitterdeformation wird mitgezogen und Elektron und Gitterdeformation bilden dann das Quasiteilchen“, so der Physiker.

Komplexer Zustand simuliert

2012 nutzte Grimm ein ultrakaltes Quantengas aus Lithium- und Kaliumatomen, um einzelne Polaronen zu erzeugen. Mit Hilfe externer Magnetfelder und Hochfrequenzpulsen brachten sie die Kaliumatome in Zustände, in dem sie die umgebenden Lithium-Atome anziehen („attraktives Polaron“) oder abstoßen („repulsives Polaron“). Speziell „repulsive Polaronen“ zeigten sich bis dahin als widerspenstig und entzogen sich der Beobachtung.

Kaliumatome (gelb) umgeben von Lithiumatomen (blau) bilden Polaronen, die miteinander wechselwirken
IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch
Kaliumatome (gelb) umgeben von Lithiumatomen (blau) bilden Polaronen, die miteinander wechselwirken

Ihre Versuchsanordnung ermöglichte den Forschern, einen komplexen Zustand zu simulieren, wie er in einem Festkörper durch ein freies Elektron erzeugt wird. Nun konnten Grimm und sein Team mehrere solche Quasiteilchen gleichzeitig in dem Quantengas erzeugen und beobachten, wie sie untereinander wechselwirken. Die Studie ist im Fachjournal „Nature Physics“ erschienen.

Dabei zeigten sogenannte bosonische Polaronen immer attraktive Wechselwirkung, während fermionische Polaronen immer repulsiv wechselwirken. Als bosonisch werden Teilchen mit ganzzahligem Spin (Drehimpuls) bezeichnet, als fermionisch Teilchen mit halbzahligem Spin. Diese Verhaltensweise wurde erstmals experimentell nachgewiesen. „Solche Untersuchungen liefern uns Einblicke in ganz grundsätzliche Mechanismen der Natur und bieten uns sehr gute Möglichkeiten, diese im Detail zu untersuchen“, so Grimm.