Europa

Systematische Kriegsführung vor 5.000 Jahren

Vor rund 7.000 Jahren sind in der jungsteinzeitlichen Siedlung von Schletz bei Asparn an der Zaya in Niederösterreich mindestens 50 Menschen ermordet worden. Im Norden Spaniens fand ein Forschungsteam nun 5.000 Jahre alte Hinweise auf die früheste systematische Form von Kriegsführung in Europa. Diese unterscheide sich von Massakern wie jenem in Asparn.

Über die kriegerischen Handlungen im heutigen Weinviertel geben über Jahrzehnte hinweg vor allem von österreichischen Fachleuten intensiv untersuchte Schädelfrakturen Aufschluss, die eindeutig auf massive Schläge mit Steinbeilen hindeuten. Zusammen mit einigen Funden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands habe man es hier mit den frühesten Zeugnissen groß angelegter Gewalttaten zwischen jungsteinzeitlichen Gruppen zu tun, so Experten.

Gewaltausbrüche und Zusammenstöße zwischen konkurrierenden kleineren Gruppen sind vermutlich so alt wie die Menschheit selbst, wie das Forschungsteam um Teresa Fernández-Crespo von der Universität Oxford und der Universität Valladolid nun im Fachjournal „Scientific Reports“ schreibt.

Mit der Etablierung des bäuerlichen Lebensstils in der Jungsteinzeit in etwa vor 9.000 bis 4.000 Jahre vor unserer Zeit wurden Konflikte aber größer und organisierter, da die Bevölkerungsdichte in vielen Gegenden Europas stieg und Land- und Ressourcenbesitz wichtiger wurden – vor allem, wenn etwa ungünstige klimatische Verhältnisse Ernten beeinträchtigten.

Hohe Opferzahl

Trotzdem sind Zeugnisse von größeren Kriegshandlungen, wie jene aus Asparn/Schletz, bisher sehr selten. Wo vorhanden, sei eher davon auszugehen, dass es sich um mehr oder weniger kurzzeitige Gewaltausbrüche zwischen rivalisierenden Gruppen handelte, schreiben Fernández-Crespo und Kollegen. Die frühesten Belege für mehr oder weniger organisierte wiederkehrende kriegerische Handlungen in Europa sind um die 4.000 Jahre alt.

Auch die Fundstelle San Juan ante Portam Latinam im Nordosten Spaniens wurde zunächst als Stätte interpretiert, wo die Opfer eines mehr oder weniger isolierten Massakers eher eilig niedergelegt wurden. Allerdings kam diese Leseart zuletzt auch dadurch unter Druck, dass sich Überreste von mindestens 338 Individuen in der kleinen Höhle fanden – eine extrem hohe Zahl. Neben einigen Opfern mit nicht verheilten Schädelverletzungen etwa durch Pfeilspitzen, fanden sich aber immer wieder auch Überreste von Menschen, die solche Kampfverletzungen offenbar überlebt haben. Das deute wiederum eher auf wiederkehrende, nicht immer tödliche Konflikte mit längerer Historie hin, heißt es in der Arbeit.

Hohe Dunkelziffer an Verletzungen

Insgesamt weisen laut den neuen Analysen knapp ein Viertel der in San Juan ante Portam Latinam bestatteten Menschen verheilte oder nicht verheilte Verletzungen auf. Das sei ein „hoher“ Wert – „sogar für das ‚blutige‘ europäische Neolithikum“ – mit üblichen Traumaraten zwischen sieben und 17 Prozent in vergleichbaren Gräbern, wie die Forscherinnen und Forscher schreiben. Neben den an den Knochen feststellbaren Verletzungen gebe es an Ort und Stelle auch noch Hinweise auf eine hohe Dunkelziffer an Verletzungen.

Das macht das Forschungsteam an insgesamt 52 Pfeilspitzen fest, die in dem Massengrab gefunden wurden, und von denen anzunehmen ist, dass sie alle in bestatteten Körpern ihren Weg in die Höhle fanden. Insgesamt war der Anteil der nachgewiesenen Verletzungen unter Männern bzw. heranwachsenden Männern sehr hoch. Das lasse darauf schließen, dass diese als Krieger häufig an Auseinandersetzungen beteiligt waren.

„Organisierte Gewalt“

Die neuen Analysen der zwischen 5.400 und 5.000 Jahre alten Überreste zeigen, dass es sich hier um eine Gruppe gehandelt haben könnte, die immer wieder in Konflikte involviert war. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interpretieren das als die frühesten Anzeichen auf „organisierte Gewalt zwischen rivalisierenden Gemeinschaften“ in Europa und grenzen die einstigen Vorkommnisse in San Juan ante Portam Latinam in ihrer Arbeit vom „Massaker“ in Asparn/Schletz ab.

In das Bild passen auch die Spuren von Mangelernährung und „biologischem Stress“ in Kombination mit dem Faktor, dass die Gruppe offenbar nicht umherzog, um Unannehmlichkeiten auszuweichen. All das lasse auf größere soziale Verwerfungen in der Region schließen, die sonst in dieser Zeit in Europa noch nicht dokumentiert wurden.