Eine Frau vor einem Laptop mit einer Videokonferenz
christian sinibaldi / Eyevine / picturedesk.com
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Digitaler Stress

Tipps gegen Videokonferenz-Müdigkeit

Seit der Coronavirus-Pandemie boomen Videokonferenzen – und mit ihnen Ermüdungserscheinungen, wenn sie zu lange dauern. Eine neue Studie zeigt, was bei der „Videokonferenz-Fatigue“ im Gehirn vor sich geht und wie man vorbeugen kann. Allem voran: öfter Pausen machen und Kamera abschalten.

Kurz nachdem Videokonferenzen im Zuge des Homeoffice-Booms im ersten CoV-Jahr 2020 in Mode kamen, publizierten erste Fachleute Ergebnisse von Befragungen, wonach diese Form der Kommunikation bei vielen Personen im Durchschnitt zu mehr Müdigkeitserscheinungen führt. Nach dem Marktführer in dem Geschäftsbereich wird das Phänomen seither auch „Zoom Fatigue“ genannt, wie René Riedl von der Fachhochschule (FH) Oberösterreich/Campus Steyr und Gernot Müller-Putz von der Technischen Universität (TU) Graz am Montag in Wien erklärten.

Objektiv und subjektiv gemessen

Mit ihren Teams arbeiten sie dazu seit einiger Zeit im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts mit dem Titel „Technostress in Organisationen“ und unter dem Dach der „Gesellschaft für Neuro-Informationssysteme“ (NeuroIS). Sie gingen u.a. daran, das Phänomen nicht nur auf Basis von Befragungen, sondern auch aus neurowissenschaftlicher Sicht zu analysieren.

Bei einer Studie an der TU Graz nahmen 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einmal im klassischen Modus in Präsenz und einmal videobasiert an Vorlesungen teil. Dabei wurden mittels Ableitungen der Gehirnströme (Elektroenzephalografie, EEG) und der Herztätigkeit (Elektrokardiografie, EKG) Daten erhoben, aufgrund derer auf die Ermüdung der Versuchspersonen geschlossen werden konnte. Außerdem beantworteten sie Fragebögen.

Einerseits berichteten die Teilnehmer selbst über weniger Müdigkeit nach der Face-to-Face-Einheit, andererseits zeigten auch die EEG- und EKG-Ableitungen mehr Hinweise auf Ermüdungserscheinungen nach dem Video-Vortrag, wie Müller-Putz erklärte. So sank etwa die Herzrate der Teilnehmer im Schnitt bei letzterem merklich ab – ein Hinweis darauf, dass man sozusagen etwas „über sich ergehen lässt“, so der TU Graz-Forscher: Man sehe also schon nach 50 Minuten tatsächlich körperliche Veränderungen.

Gehirn muss „Gang höher schalten“

Angesichts der Tatsache, dass videobasierte Lehre etwa im Hochschulbereich forciert wird, und Studien zufolge Videokonferenzen auch aufgrund des anhaltenden Trends zum Homeoffice laut Riedl „gekommen sind, um zu bleiben“, sollte man sich über Faktoren, die zu „Videokonferenz Fatigue“ führen und Maßnahmen, die Abhilfe schaffen, mehr Gedanken machen. Über die Ursachen des Phänomens gebe es einige Theorien, die aber erst wissenschaftlich überprüft werden müssen.

So ist etwa bekannt, dass leicht verzögerte, asynchrone Kommunikation das Gehirn übermäßig fordert. Bei Videokonferenzen lässt sich Asynchronität nicht verhindern. Ebenso verursacht es psychologische Kosten, wenn man Körpersprache schlecht lesen kann und keine echte Koordination über den Augenkontakt möglich ist. „Da muss das Gehirn sozusagen einen Gang höher schalten“, was letztlich zu rascherer Ermüdung führen könnte, so Riedl.

Gegenmaßnahmen: Mehr Pausen und kürzer

Ein weiterer Faktor für zusätzlichen „digitalen Stress“ sei der Hang zum Multitasking während solcher Besprechungen und die gesteigerte Selbstwahrnehmung durch die Kamera. Diese fungiere wie ein Spiegel, was wiederum automatisch dazu führt, über sich selbst und sein Erscheinungsbild nachzudenken. Hängt man stundenlang in solchen Besprechungen mit aktivierter Kamera, sei das, als ob einem jemand ständig das eigene Konterfei vorhält, was auf Englisch ausgedrückt „Mirror Anxiety“ auslösen kann, sagte Riedl.

Um der „Videokonferenz Fatigue“ entgegenzuwirken, empfehlen die Fachleute daher, ab 30 Minuten Pausen von um die zehn Minuten einzubauen sowie die Konferenzlängen insgesamt zu verkürzen. Wenn möglich sollten außerdem die Kameras deaktiviert und zum Beispiel Umfragen in Videovorträge eingebaut werden, um die Hörer und Seher zu aktivieren.