Künstliche Blatt, das auf der Cam schwimmt
APA/VIRGIL ANDREI/Universität Cambridge
APA/VIRGIL ANDREI/Universität Cambridge
Chemie

Künstliches Blatt liefert Energie und sauberes Wasser

Künstliche Blätter, die wie die natürlichen aus Sonnenlicht, CO2 und Wasser Energie produzieren: Daran arbeitet der österreichische Chemiker Erwin Reisner an der Uni Cambridge seit einigen Jahren. Nun präsentierte er die bisher beste Version – sie reinigt schmutziges Wasser und liefert Brennstoff.

Darüber berichtet Erwin Reisner soeben im Fachjournal „Nature Water“. Die Forschung habe auch Potenzial zur Erreichung der Klimaziele, meinte vor Kurzem der britische Premierminister Rishi Sunak.

Nun auch mit Schmutz- oder Meereswasser

Reisner arbeitet mit seinem Team bereits seit mehr als einem Jahrzehnt daran, nach dem Vorbild von Pflanzen die Energie des Sonnenlichts zur Produktion eines Energieträgers zu nutzen. Während Pflanzen mit Hilfe der Photosynthese Zucker herstellen, wollten die Fachleute mit einem künstlichen Blatt direkt aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser bei Raumtemperatur „Synthesegas“ nachhaltig erzeugen. Mit einem ersten, 2019 vorgestellten Prototyp hatten sie dieses Ziel erreicht und seither das System immer wieder verbessert und in mehrere Richtungen weiterentwickelt.

Ihr neuester Wurf ermöglicht gleichzeitig die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff und damit die Produktion von grünem Kraftstoff sowie die Reinigung von verschmutztem Wasser bzw. Meereswasser. Bisher war speziell für die Wasserspaltung sehr sauberes Wasser notwendig, da jede Verunreinigung den dafür notwendigen Katalysator vergiftet oder zu unerwünschten chemischen Nebenreaktionen geführt hätte.

Gemeinsam mit seinen Doktoranden Chanon Pornrungroj und Ariffin Mohamad Annuar hat Reisner nun das System so weiterentwickelt, dass es auch mit verunreinigtem Wasser oder Meereswasser arbeitet. Dazu nutzten sie ein nanostrukturiertes Kohlenstoffnetz, das auf dem (Schmutz-)Wasser schwimmt und den empfindlichen Photokatalysator davon fernhält. Dieses Netz absorbiert sichtbares und infrarotes Licht sehr gut, erwärmt sich dadurch und erzeugt so sauberen Wasserdampf, den der Photokatalysator mit Hilfe des UV-Lichts der Sonne in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet.

Transpiration miteinbezogen

Durch diese Anordnung kann mehr Sonnenenergie genutzt werden: Denn der Katalysator nutzt nur einen kleinen Teil des Spektrums des Sonnenlichts (UV-Licht) zur Herstellung des Wasserstoffs. Das restliche Licht gelangt auf den Boden des Systems, wo es das Kohlenstoffnetz erwärmt und dadurch das Wasser verdampft wird.

Der Wasserdampf kann dann zum Teil für die Wasserstoffproduktion genutzt werden, zum Teil aber auch als sauberes Wasser aufgefangen und für andere Zwecke genutzt werden. „Auf diese Weise ahmen wir wirklich ein echtes Blatt nach, da wir nun den Prozess der Transpiration mit einbeziehen können“, erklärte Reisner gegenüber der APA.

Für abgelegene Gegenden

Tests des Systems zeigten, dass es in der Lage ist, sauberes Wasser und in der Folge Wasserstoff selbst aus stark verschmutztem Wasser und Meerwasser zu produzieren. „Wir konnten das sogar im Fluss Cam im Zentrum von Cambridge erfolgreich testen“, so der Chemiker, der den Wirkungsgrad der Wasserstoff-Produktion mit 0,14 Prozent und die Wasserdampfproduktion mit 0,95 Kilogramm pro Quadratmeter und Stunde angibt.

Ein solches auch mit stark verunreinigtem Wasser funktionierendes System könnte speziell für abgelegene Gegenden mit geringen Ressourcen interessant sein, lässt sich damit doch ohne externe Energiequelle sowohl sauberer Kraftstoff als auch sauberes Trinkwasser erzeugen. Die Forscher verweisen dabei nicht nur auf die Milliarden Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser, sondern auch auf die Millionen Todesfälle jährlich, die laut Weltgesundheitsorganisation WHO durch das Kochen mit „schmutzigen“ Brennstoffen wie Kerosin in Innenräumen verursacht werden.

Premier Sunak erwähnte Forschung

„Es ist noch viel zu tun, aber wir konnten den grundsätzlichen Nachweis erbringen, dass das künstliche Blatt funktioniert“, betonte Reisner. Klimakrise, Umweltverschmutzung und Gesundheit seien eng miteinander verbunden, „die Entwicklung eines Ansatzes, der dazu beitragen könnte, beide Probleme zu lösen, wäre für so viele Menschen von entscheidender Bedeutung“.

Das sieht offensichtlich auch der britische Premierminister Rishi Sunak so, der kürzlich in einer Rede zur Erreichung der Klimaziele seines Landes die von den Cambridge-Fachleuten entwickelte Technologie zur Erzeugung von Brennstoffen mit Hilfe von Sonnenlicht als eine der vielversprechendsten Innovationen vorgestellt hat, um die Klimaziele zu erreichen.

Zudem wurde Reisners Gruppe für diese Arbeiten kürzlich mit der Hughes Medal der Royal Society ausgezeichnet und die International Union for Pure and Applied Chemistry (IUPAC) stufte die Technologie als eine der zehn besten aufkommenden Technologien in der Chemie des Vorjahres ein.