Künstlerische Illustration von Erbgut
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Mikrobiologie

KI knackt „zweiten Code des Lebens“

Jede Zelle von Lebewesen enthält die gleichen Gene, sie werden in verschiedenen Geweben aber unterschiedlich aktiviert. Zuständig dafür sind bestimmte „Schalter“ im Erbgut. Einer Wiener Forschungsgruppe gelang es nun, den genetischen Code dieser Schalter mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) zu knacken – den „zweiten Code des Lebens“.

Damit könne man die Aktivität der Genschalter (“Enhancer“) in verschiedenen Körperteilen vorhersagen, die Folgen von Mutationen abschätzen und sie bei Bedarf stärker und schwächer justieren, berichtet ein Team um Alexander Stark vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien im Fachjournal „Nature“.

An Fruchtfliegen ausprobiert

Die Forscher und Forscherinnen trainierten ein KI-Modell zu Enhancer-Sequenzen sowie DNA-Eigenschaften und -Aktivitäten in der Fruchtfliege „Drosophila melanogaster“ – einem beliebtem Modellorganismus der Biologie. „Das Modell war daraufhin in der Lage, die Enhancer-Aktivität in fünf Gewebearten in Fruchtfliegenembryonen vorherzusagen“, schreiben die Fachleute: im zentralen Nervensystem, in Teilbereichen des Gehirns, in der Oberhaut (Epidermis), im Darm und in Muskeln.

Sie schufen anschließend im Labor selbst 40 künstliche Enhancer, deren Code vom Computerprogramm berechnet worden war. Diese aktivierten tatsächlich Gene in den gewünschten Zielgeweben. „Wir können mit unseren Modellen also nicht nur direkt aus ihrer DNA-Sequenz vorhersagen, wann und wo Enhancer Gene aktivieren, sondern sie auch neu schreiben“, sagte Stark. Damit könnte man Gene zum Beispiel gezielt im Herzen oder Gehirn aktivieren, und zwar in jedem Entwicklungs- und Krankheitsstadium. „Dies ermöglicht komplett neue Therapieansätze“, so der Forscher.

„Zweiter Code des Lebens geknackt“

„Vor etwa 60 Jahren lernte die Wissenschaft, wie der erste genetische Code funktioniert, wie ein molekularer DNA-Bauplan in ein Protein übersetzt werden kann", meinte Stark in einer IMP-Aussendung. „Mit der Kraft der Genomik und KI ist es uns nun gelungen, den zweiten Code des Lebens zu knacken – den, wie die Genaktivität gesteuert wird. Diese Studie ist ein Durchbruch und der Höhepunkt meiner Forschung, seit ich 2008 mein Labor am IMP eröffnet habe.“