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Katarina – stock.adobe.com
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Studie

An Tränen schnuppern macht sanft

An Tränen zu schnuppern erstickt aufkommende Aggressionen – und das, obwohl Tränen nach gar nichts riechen. Wie Tränen Hirnaktivitäten beim Gegenüber verringern, die zu aggressivem und rachsüchtigem Verhalten führen, zeigt eine neue Studie des israelischen Weizmann-Instituts.

Dass Nagetiere weniger aggressiv werden, wenn sie die Tränen ihrer Artgenossen riechen, wurde bereits in Studien untersucht und bestätigt. Um herauszufinden, ob Tränen bei Menschen die gleiche Wirkung haben, führte das Forschungsteam des Weizmann-Instituts ein Experiment durch: Jeweils zwei Männer spielten ein Spiel. Dieses war so konzipiert war, dass die Probanden den Eindruck erhielten, der jeweilige Gegenspieler würde sie um Geld betrügen.

Das sollte einerseits Aggressionen wecken, andererseits bekamen die Spieler auch die Möglichkeit, sich am Gegenüber zu rächen und ihm Geld wegzunehmen. Während des Spiels bekamen die Männer entweder Tränen oder eine Kochsalzlösung, um daran zu riechen. Beide Substanzen sind geruchlos, die Personen konnten sie also nicht voneinander unterscheiden, und sie wussten auch nicht, woran sie schnupperten.

Emotionale Tränen aus dem Fläschchen

Die Tränen, an denen die Spieler schnuppern sollten, waren von Frauen, und es waren emotionale Tränen. Das sind Tränen, die beispielsweise aus Freude oder Trauer auftreten, wie auch eine Studie aus dem Vorjahr untersuchte. In ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheiden sich diese Tränen von den basalen Tränen, die das Auge feucht halten, reinigen und schützen.

Dass die Tränen im Experiment von Frauen stammten und die Probanden Männer waren, räumt das Forschungsteam unter der Leitung der Neurobiologin Shani Agron als Einschränkung der Studie ein. Begründet wird das Studiendesign mit dem großen Aufwand, genug frische Tränen für die Sitzungen mit den Probanden zu beschaffen. Um die Tränen zu gewinnen, schauten sich die Spenderinnen in isolierten Räumen traurige Filme an, und fingen – sobald sie weinten – ihre Tränen mit einem Fläschchen auf.

Aufgrund der zuvor aufgestellten Hypothese, dass der Zusammenhang zwischen Testosteron und Aggressionen bei Männern deutlicher ist als bei Frauen, entschied man sich dies zuerst an Männern zu überprüfen. In weiteren Studien soll aber getestet werden, wie Frauen auf Männertränen reagieren bzw. ob das Geschlecht dabei überhaupt einen Unterschied macht.

Scans zeigen Aktivität im Gehirn

Das Experiment ergab, dass aggressives und rachsüchtiges Verhalten während des Spiels um mehr als 40 Prozent zurückging, nachdem die Männer an den Tränen geschnuppert hatten. Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) konnte die Aktivität in jenen beiden Gehirnregionen, die mit Aggression zusammenhängen beobachtet werden: der präfrontale Kortex, der sich an der Stirnseite des Gehirns befindet, und der vordere Bereich des Inselcortex, einem Teil der Großhirnrinde.

Scans zeigten, dass die Hirnaktivität in diesen Bereichen zunahm, wenn die Probanden während des Spiels provoziert wurden. Schnupperten die Spieler in denselben Situationen an Tränen, zeigte sich in den Scans hingegen eine Verringerung der Aktivität. Je stärker sich die Aktivität verringerte, desto seltener rächte sich ein Spieler an seinem Gegenüber.

„Wie eine chemische Decke“

„Menschliche Tränen enthalten, genau wie Tränen von Mäusen, ein chemisches Signal, das die Aggression von männlichen Artgenossen blockiert“, heißt es in der Studie, die nun im Fachjournal „PLOS Biology“ veröffentlicht wurde. Das widerspreche auch der bisherigen Vorstellung, dass emotionale Tränen nur beim Menschen vorkommen. Zumindest mit Nagetieren haben Menschen diesen Mechanismus gemeinsam.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschreiben Tränen als „eine chemische Decke, die vor Aggression schützt“. Auch wenn das in dieser Studie nur mit Tränen von Frauen im Alter zwischen 22 und 25 Jahren getestet wurde, nimmt das Forschungsteam an, dass alle menschlichen Tränen eine ähnliche Wirkung haben. Eine Eigenschaft, die besonders für Säuglinge von Bedeutung sei, weil ihnen verbale Mittel zur Eindämmung von Aggressionen des Gegenübers fehlen.