Coronavirus unter dem Mikroskop und eingefärbt
NIAID-RML
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Coronavirus: Immunsystem lernt dazu

Die Hochphase der Pandemie ist vorbei, das Coronavirus bleibt – als endemischer, aber kontrollierbarer Erreger, wie aktuelle Studien nahelegen: Das Immungedächtnis der Bevölkerung wird immer besser, schwere Erkrankungen bleiben die Ausnahme.

Impfungen und Infektionen haben eines gemeinsam: Beide regen das Immunsystem zum Lernen an. Und weil in vielen Ländern große Teile der Bevölkerung sowohl das eine als auch das andere absolviert haben, hat das Coronavirus viel von seiner ursprünglichen Gefährlichkeit eingebüßt.

Ein Team um den koreanischen Virusforscher Sang-Hoon Kim hat sich die Sache nun genauer angesehen und kommt zu dem Schluss: Speziell der zelluläre Arm des Immunsystems – also etwa T-Helferzellen und Killerzellen – haben durch den wiederholten Kontakt mit dem Erreger ein breites Repertoire an Abwehrmöglichkeiten aufgebaut, die sich nicht zuletzt bei den neuen Omikron-Varianten bezahlt machen.

Gleicher Trend in Korea und Österreich

Untersucht wurden drei Gruppen: Personen, die Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech erhalten hatten, sowie solche, die sich zusätzlich zur Impfung mit dem Coronavirus angesteckt hatten – entweder früh mit dem Wuhan-Virustyp oder später mit dem Omikron-Typ BA.2. Ergebnis: In allen drei Gruppen konnten die Killerzellen danach aufgetretene Omikron-BA.4/5-Varianten erkennen, was nahelegt, dass das Gedächtnis der Killerzellen auf konservierte Regionen des Erregers abzielt und neue Virustypen neutralisieren kann.

Die Ergebnisse lassen sich auch auf Österreich umlegen, sagt Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien. Sie hat gerade eine Studie zur Publikation eingereicht, die ein sehr ähnliches Muster zeigt. „Die Erfahrungen, die man jetzt in verschiedenen Ländern macht, sind vermutlich auf der ganzen Welt gültig: Je länger ein Virus zirkuliert, desto besser ist die Langzeitimmunität, auch wenn sich das Virus ständig verändert.“

Das gilt wohlgemerkt für gesunde Personen. Wiedermann-Schmidt hat auch Menschen mit einer Krebserkrankung bzw. einem geschwächten Immunsystem untersucht und nachgewiesen, dass in diesem Fall der langfristige Lerneffekt bedeutend geringer ist, weshalb sie Risikopatienten und -patientinnen nach wie vor Auffrischungsimpfungen empfiehlt.

T-Zellen ohne „Erbsünde“

Die Untersuchung aus Korea liefert auch eine Einsicht zum Phänomen der sogenannten Antigenerbsünde. Demnach bildet das Immunsystem eine Art Erinnerungsspur durch den Erstkontakt mit dem Virus und neigt dazu, diese alte Immunantwort zu reaktivieren – obwohl beim Kontakt mit späteren Varianten eine grundsätzlich neue Antwort noch besser sein könnte.

Das trifft zwar auf die neutralisierenden Antikörper in den Schleimhäuten zu (weswegen der Schutz vor Infektion lückenhaft ist), aber offenbar nicht auf die T-Zellen. Deren Immungedächtnis ist breiter aufgestellt und bietet auch neuen Varianten kaum Ausweichmöglichkeiten. Ebenjene T-Zellen sind übrigens für den Schutz vor schweren Erkrankungen verantwortlich, bei gesunden Personen sollten schwere Verläufe also die Ausnahme bleiben.