Erbgutanalyse

Ältester Nachweis von syphilisähnlichem Erreger

Die vermutlich erste große Syphilis-Epidemie in Europa am Ende des 15. Jahrhundert wird oft mit der Amerikafahrt von Christoph Kolumbus in Verbindung gebracht. Bisher fehlten eindeutige Hinweise auf solche Erkrankungen in präkolumbianischer Zeit. Nun fand ein Team den bisher ältesten Nachweis eines Syphilis-Abkömmlings in rund 2.000 Jahre alten Gräbern in Brasilien.

In der Fachzeitschrift „Nature“ berichtet die Gruppe um Verena Schünemann von der Universität Basel (vormals Uni Zürich und Uni Wien) von ihrer Entdeckung des ältesten Genoms eines zu dieser Gruppe zählenden Erregers. Der Schlüssel dazu liegt in den neuen Möglichkeiten zur Analyse von altem Erbgut. Mit neuen Methoden kann man auch in schlecht erhaltenen Überresten nicht nur Überbleibsel der DNA von Verstorbenen, sondern mitunter auch von Krankheitserregern finden, mit denen die Menschen einst kämpften. Das bringt seit einigen Jahren neue Einsichten in die Entstehung und Ausbreitung historischer und prähistorischer Seuchen mit sich.

Schünemann, die in den vergangenen Jahren auch am Department für evolutionäre Anthropologie der Universität Wien tätig war, hat bei der Analyse der Überreste von vier im heutigen südlichen Brasilien in der Küstenregion Santa Catarina begrabenen Menschen nach Erbgut von Abkömmlingen von Auslösern von Treponematosen – einer Gruppe von Infektionskrankheiten – gesucht. Zu dieser Bakteriengruppe zählt u.a. der Treponema pallidum ssp. pallidum-Erreger, der die Geschlechtskrankheit Syphilis hervorruft, oder Treponema pallidum ssp. endemicum, das für die „Endemische Syphilis“ oder auf Englisch „Bejel“-Erkrankung verantwortlich zeichnet. Sie wird im Gegensatz zur echten Syphilis nicht über Geschlechtsverkehr übertragen, sondern durch Schmierinfektion vor allem unter schlechten hygienischen Zuständen.

Vor der Entdeckung Amerikas

In den Knochen am Fundort „Jabuticabeira II“, bei denen sich bereits sichtbare Veränderungen zeigten, die auf so eine Erkrankung hindeuten, entdeckte die Autorengruppe, der auch Sabine Eggers vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien angehörte, tatsächlich das Erbgut von Bakterien, die am nächsten mit dem heute grassierenden T. pallidum ssp. endemicum verwandt sind. Dass Vertreter dieser Erregergruppe schon lange vor der „Entdeckung“ Amerikas 1492 in der Neuen Welt und vielleicht auch in Europa kursierten, wurde vor allem aufgrund mehrerer Beobachtungen von Knochenveränderungen angenommen, die bei derartigen Erkrankungen auftreten können. Nun habe man einen genetischen Nachweis für ein Bakterium, das dem heutigen Bejel-Auslöser „überraschend“ ähnlich ist, schreiben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

Skelettreste am Fundort Jabuticabeira II.
Jose Filippini
Skelettreste am Fundort Jabuticabeira II.

Da sich das rund 2.000 Jahre alte Erbgut in einer recht feuchten Region finden ließ, sei der Befund auch ein deutlicher Hinweis darauf, wie gut sich diese Bakterien offenbar auf neue Umstände einstellen konnten, kommt Bejel heute doch vor allem in heißeren und trockeneren Weltregionen vor. So grassiert die Krankheit vor allem in Afrika, Westasien oder der Mittelmeerregion. Der neue Nachweis verschiebt das bisherige Wissen über die Geschichte dieser Bakteriengruppe um mindestens 1.000 Jahre nach hinten, so die Forscher, die die Entstehung des Bakterienstammes nun frühestens rund 550 vor Christus oder auch schon deutlich früher verorten.

„Dass wir in den brasilianischen Knochen nur den Erreger der endemischen Syphilis gefunden haben und nicht den Erreger der sexuell übertragbaren Syphilis, lässt die Frage nach dem Ursprung derzeit zwar noch offen“, so Kerttu Majander, eine der Studien-Erstautorinnen. Es spreche aber vieles dafür, dass es in der Alten Welt bereits vor Kolumbus’ Fahrt, nach der sich laut historischen Berichten die sexuell übertragbare Syphilis vor allem in Hafenstädten stark ausbreitete, Treponematosen gab. „Da wir in Südamerika keine sexuell übertragene Syphilis gefunden haben, erscheint die Theorie, dass Kolumbus Syphilis nach Europa gebracht hat, immer unwahrscheinlicher“, meint Schünemann in einer Aussendung der Uni Zürich.