Ameise, Biologie, Tier, Wald, Insekt
loginovsergei – stock.adobe.com
loginovsergei – stock.adobe.com
Chirurgie

Greifen wie die Waldameise

Beim Vernähen von Wunden werden bei Operationen seit etwa 200 Jahren Nadelhalter eingesetzt. Das chirurgische Instrument könnte nun modernisiert werden. Vorbild dafür ist der Oberkiefer der Roten Waldameise.

Die Rote Waldameise (Formica rufa) wird bis zu zehn Millimeter groß und kann das Vierzigfache ihres Körpergewichts tragen – das meiste davon mit Hilfe ihres schaufelförmigen Oberkiefers (Mandibel). Dieses Werkzeug – fein wie ein Menschenhaar – setzt die Ameise mit unterschiedlicher Kraft und Geschicklichkeit ein: Sie schneidet und zerkleinert Blätter, verteidigt sich gegen Fressfeinde und transportiert damit auch die Brut der Ameisenkönigin, die Eier.

Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn unter der Leitung von Benjamin Wipfler beschäftigte sich mit der Anatomie des Kiefers der Roten Waldameise. Die Studie, veröffentlicht im Fachmagazin „PNAS“, zeigt: Die Ameise kann anders als andere Gliederfüßler die Kieferschaufeln um mehrere Achsen drehen und sie einmal stärker, einmal sanfter einsetzen.

Ameise schleppt mit Oberkiefer Grashalm
Benjamin Wipfler / David Neubert
Ameise schleppt mit Oberkiefer Grashalm

Der Oberkiefer eignet sich besonders dazu, sperrige Gegenstände auch auf beengtem Raum zu transportieren. Eigenschaften, die in der endoskopischen Mikrochirurgie nützlich sind. Werden bei Operationen etwa im Magen-Darm-Trakt, in der Gebärmutter oder in den Nasennebenhöhlen Nähte gesetzt, führen die Chirurginnen und Chirurgen die Operationsnadeln mit Nadelhaltern. Dabei ist die OP-Nadel an der Spitze eines Instruments in Scherenform eingeklemmt.

Angelehnt an die Mechanik und Form des Oberkiefers der Roten Waldameise entwickelte das Forschungsteam neue Modelle des Nadelhalters – mit größerem Bewegungsradius in den Metallgelenken. Experimente mit 3-D-Modellen zeigten, dass die Nadeln leichter und bei Bedarf mit mehr Druck geführt werden können. Prototypen des vielleicht neuen Modells müssen noch im klinischen Umfeld getestet werden.