Aufnahme eRosita
MPE, J. Sanders for the eROSITA consortium
MPE, J. Sanders for the eROSITA consortium
„eRosita“

Tausende Galaxienhaufen entdeckt

Eine Analyse von Daten des Teleskops „eRosita“ hat Hinweise auf 12.247 Galaxienhaufen gebracht. Immerhin 8.361 davon seien Neuentdeckungen, so das deutsche Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE). Die neuen Berechnungen, an denen auch die Uni Innsbruck beteiligt war, passen erstaunlich gut mit bisherigen Annahmen zur Entwicklung des Universums zusammen.

„eRosita“ ist seit 2019 im All macht große Strukturen über das Detektieren von Röntgenstrahlung sichtbar. Montiert ist es auf dem deutsch-russischen „Spektr-RG“-Satelliten. Ein Fokus bei den Beobachtungen mit dem Teleskop liegt auf Galaxienhaufen. Das sind Strukturen ungeheuren Ausmaßes: Es handelt sich um Cluster, die aus Tausenden von einzelnen Galaxien bestehen, die durch Schwerkraft aneinander gebunden sind.

„Aus vorherigen Studien wussten wir, dass diese Galaxienhaufen existieren müssen“, so der am „eRosita“-Konsortium beteiligte Sebastian Grandis aus der Arbeitsgruppe um Tim Schrabback am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck in einer Aussendung. Die aktuelle Studie zu den „eRosita“-Daten wurde im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlicht.

„Gezielt gesucht und gefunden“

„Mit eRosita haben wir sie (die Galaxienhaufen, Anm.) gezielt gesucht und gefunden. Entscheidend hierfür ist, dass das in den Galaxienhaufen vorhandene Plasma Röntgenstrahlen aussendet, weil dort unfassbar hohe Temperaturen herrschen – ungefähr zehn Millionen Grad Celsius.“ Die Information über die Strahlung kann man nutzen, um die Verteilung der Galaxiencluster und der rund 1.300 „Superhaufensysteme“ im All zu ermitteln.

Aus dieser Verteilung wiederum kann darauf geschlossen werden, wie sich das Universum seit dem Urknall ausdehnt. Diese Expansion wird maßgeblich durch die mysteriöse Dunkle Energie bestimmt. Auch auf die Masse der oft mehrere Milliarden Lichtjahre entfernten Megastrukturen kann geschlossen werden, indem man den „Gravitationslinseneffekt“ ausnutzt.

„Wir analysieren die Form von Galaxien, die sich hinter den Galaxienhaufen befinden. Diese erscheinen verzerrt, weil das Licht der Hintergrundgalaxien auf dem Weg zu uns von der Schwerkraft der Haufen abgelenkt wurde. Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein können wir dann die Masse abschätzen, die diese Verzerrung verursacht hat. Dabei gilt: Je mehr Masse, desto stärker die Verzerrung“, so Grandis, der mit dem Tiroler Team einen Teil dieser Berechnungen anstellte, die sich auch auf Messdaten anderer Beobachtungen von internationalen Gruppen stützte.

„Einstein hatte doch recht“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler glichen die eRosita-Daten mit den Annahmen ab, die das Standardmodell der Kosmologie – das „Lambda Cold Dark Matter“-Modell – über die Beschaffenheit des Universums macht. Der Schluss aus den neuen Informationen, dass das Universum aus insgesamt 29 Prozent sichtbarer und dunkler Materie besteht, passe „in hervorragender Übereinstimmung mit Werten aus Messungen der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung aus der Frühzeit des Universums“ zusammen, so das MPE. Diese Übereinstimmung zeige, „dass das gleiche kosmologische Modell von kurz nach dem Urknall bis heute gilt“, so eRosita-Teamleiterin Esra Bulbul.

Für die überbleibenden 71 Prozent zeichnet dem Modell zufolge die von der Wissenschaft noch weitestgehend unverstandene „dunkle Energie“ verantwortlich. Diese hatte einst Albert Einstein als „kosmologische Konstante“ in das Modell integriert – und später wieder herausgenommen. „Unsere Berechnungen zeigen, dass Einstein doch recht gehabt hat und es ein Fehler von ihm war, die kosmologische Konstante später zu verwerfen“, so Grandis.

Nicht ganz mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie zusammen passen allerdings die nun aufgezeichneten Daten zu der Geschwindigkeit, mit denen riesigen Strukturen wachsen. Angesichts dieser Diskrepanz könnte man „kurz vor einer neuen Entdeckung stehen“, so MPE-Forscher Emmanuel Artis.

Zusammenarbeit mit Roskosmos eingestellt

Neue Einsichten konnten auf Basis der Informationen des Teleskops auch über die winzigen Neutrinos gewonnen werden. Diese frei durch den Kosmos fliegenden Teilchen entziehen sich bisher weitestgehend der direkten Beobachtung durch die Wissenschaft. „In Kombination mit anderen Beobachtungsverfahren ermöglicht es unsere Analyse, die aktuell genausten Ergebnisse für den möglichen Massenbereich der Neutrinos abzuleiten“, so Grandis. Laut MPE-Angaben dürfte deren Gesamtmasse 0,22 Elektronenvolt nicht übersteigen.

Während sich das Konsortium von der weiteren Analyse des kompletten Datensatzes noch einige Einblicke ins All erhofft, schwebt über der Zukunft von eRosita ein Fragezeichen: Nachdem im Februar 2022 die Zusammenarbeit mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos eingestellt wurde, befindet sich das Teleskop seither im „Safe Mode“, wie die Uni Innsbruck mitteilte. Daher reichen die Daten nur bis zum Jahr 2022.