Econutri
M. Kanizaj
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Biotechnologie

Klimaschädliches CO2 als Nahrungsmittel

Einem Grazer Forschungs-Start-Up ist es gelungen, Proteine aus Kohlendioxid zu gewinnen. Derzeit wird das mittels Bakterien hergestellte Pulver auf seine Eignung als Fischfutter getestet – eine Zulassung als Lebensmittel für Menschen könnte folgen. Das Verfahren soll zukünftig nicht nur zum Klimaschutz beitragen, sondern auch Lücken in der Nahrungsmittelversorgung schließen.

Der 73-jährige Grazer Helmut Schwab bezeichnet sich selbst als „pensionierter Universitätsprofessor im Unruhestand“. Als Biotechnologe hat er an der Technischen Universität (TU) Graz geforscht und gelehrt und nun eine Idee aufgegriffen, die innovativ klingt, aber schon lange kursiert.

„Mein Doktorvater hat bereits vor über fünfzig Jahren Kohlendioxid, kurz CO2, als Rohstoff betrachtet und sich überlegt, welche nützlichen Produkte daraus entstehen können. Und auch ich habe für meine Dissertation mit einem Organismus gearbeitet, der in der Lage ist, das Kohlendioxid in interessante Moleküle umzusetzen, die industriell verwertbar sind“, erzählt Schwab. Damals war von einer Klimakrise aber noch keine Rede und CO2 kein Problem, weshalb er sich in seiner Forschung anderen Themen zuwandte.

Bakterien „fressen“ CO2

Doch die Zeiten haben sich geändert und so sah Schwab die Zeit reif, die Ansätze von damals wieder aus der Schublade zu holen. Er gründete das Forschungsstartup econutri, das an der Technischen Universität Graz angesiedelt ist, mit der auch eng kooperiert wird. Am acib, dem Austrian Center of Industrial Biotechnology, wird außerdem an den Herstellungsprozessen geforscht.

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Helmut Schwab und seine Tochter Verena Schwab, Geschäftsführerin von Econutri

Und so funktioniert der Prozess, der aus CO2 ein von Tieren und Menschen essbares Protein herstellt: In einen Bioreaktor wird ein natürlich vorkommendes Bakterium eingebracht, das CO2 verstoffwechselt. Es benötigt Kohlendioxid, so wie ein Mensch Nahrung zum Überleben braucht und verdaut diese. Dabei wandelt es das CO2 in verschiedene Proteine um. Damit es sich vermehren und überleben kann, benötigt das Bakterium aber weitaus mehr. So müssen auch Nährstoffe in den Bioreaktor eingeleitet werden, sowie die Gase Sauerstoff und Wasserstoff, der aus nachhaltiger Energie erzeugt wird.

Haben sich die Bakterien im Bioreaktor vermehrt und genug CO2 verstoffwechselt, werden sie zunächst durch Hitze abgetötet. Die dabei entstandene Biomasse wird dann in einen sogenannten Separator geleitet, in dem ein Großteil der Flüssigkeit von den Proteinen getrennt wird. In einem letzten Schritt werden diese getrocknet. Das Ergebnis gleicht jenem Pulver, das Sportlerinnen und Sportler für Proteinshakes benutzen.

Erste Tests als Fischfutter

Derzeit wird an der Vetmeduni in Wien getestet, ob sich die von den Bakterien produzierten Proteine als Fischfutter eignen. Um eine Zulassung für den menschlichen Verzehr zu erreichen, müssten wohl noch bestimmte Proteine herausgefiltert werden. Prozesse dafür sollen demnächst erforscht werden.

Kommt das Verfahren aber eines Tages industriell zum Einsatz, wäre es ein Lösungsansatz für gleich zwei große, aktuelle Probleme: Die Klimakrise und die Lebensmittelknappheit. Denn zwischen einem Fünftel und einem Drittel der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen stammen aus der Lebensmittelindustrie und heizen so die globale Erwärmung in einem enormen Ausmaß an.

Maßgeblich beteiligt ist hier die Fleischwirtschaft, für die Wälder gerodet werden, um Soja für Nutztiere anzubauen, und ebenfalls klimaschädliche Methanausstoß von Kühen. Gleichzeitig bedroht die Klimakrise beispielsweise durch Missernten die Nahrungsmittelversorgung. Proteine aus CO2 können nicht nur ein klimaschädliches Gas in Nahrungsmittel umwandeln, sondern auch mögliche Versorgungslücken schließen, die sich in Zukunft auftun könnten.