Frau liegt mit offenen Augen im Bett
Getty Images/EyeEm/Dmitry Marchenko
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Neurowissenschaft

Wie sich Angst im Gehirn zeigt

Angst hinterlässt Spuren im Gehirn – manchmal so einprägsam, dass man auch ohne Bedrohung Symptome wie Herzrasen, Schwindel und Schweißausbruch hat. Was dabei im Gehirn passiert, wies nun ein US-Forschungsteam nach. Die Ergebnisse könnten auch Menschen helfen, die von einer allgemeinen Angststörung betroffen sind.

Der Mensch braucht die Angst. Sie macht uns vorsichtig in schwierigen Situationen und wachsam bei drohender Gefahr: ohne Angst kein Überleben. Wir entkommen ihr auch nicht. Angstreaktionen sind im Gehirn und im Nervensystem programmiert.

Was aber, wenn das Gefühl der Angst ohne konkrete Bedrohung oder bestimmten Anlass auftaucht? Wenn man, wie Fachleute sagen, an einer allgemeinen Angststörung leidet? Der Anlass fehlt, aber die Reaktionen sind da: heftiges Herzklopfen, schneller Puls oder stoßweise Atmung und Schweißausbruch. Für Betroffene ist das eine Qual, weitere psychische Probleme sind mitunter die Folge.

Durcheinander der Neurotransmitter

Es ist mehr oder weniger rätselhaft, warum das Gehirn scheinbar grundlos stresst und Angstgefühle erzeugt. Eine Erklärung ist, dass Betroffene vor einiger Zeit tatsächlich großem Stress ausgesetzt waren, etwa nach dem Tod eines geliebten Menschen, dem Jobverlust oder einer Trennung, oder sogar in Lebensgefahr waren.

Damit verbundenen Angstreaktionen können später wieder auftauchen, auch ohne konkreten Anlass. Ein Forschungsteam der Universität von Kalifornien in San Diego untersuchte, was sich biochemisch im Gehirn ändert, wenn das Gefühl der Angst „produziert“ wird. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht.

Untersucht wurde das im Gehirn – von lebenden Mäusen und verstorbenen Menschen. Das Forschungsteam unter Leitung von Hui-quan Li und Nicholas Spitzer setzte Mäuse Stress aus. Im Hirnstamm zeigte sich, dass sich die Kommunikation der Nervenzellen veränderte: Neurotransmitter, die die Kommunikation der Nervenzellen regeln, kamen – vereinfacht gesagt – durcheinander. Jene Neurotransmitter, die bei Angst aktiviert werden, bekamen die Oberhand. Und: Das Gehirn merkte sich diese Änderung und speicherte sie.

Neuronen bei Stress
Spitzer Lab, UC San Diego
Neuronen im Angststress

Dem Forschungsteam gelang dabei zweierlei: Es identifizierte die Position der „geänderten“ Neuronen. Und es zeigte, wie diese Neuronen wiederum mit der Amygdala und dem Hypothalamus verbunden waren. Diese zwei Hirnregionen haben ebenfalls mit der Steuerung von Angst bzw. der Erinnerung an Angstsituationen zu tun.

Antidepressivum stoppt Neurotransmitterwechsel

Diese stressbedingte Änderung der Neurotransmitter konnte das Forschungsteam nicht nur bei Mäusen, sondern auch im menschlichen Gehirn nachweisen. Untersucht wurde das bei Verstorbenen, die an posttraumatischen Belastungsstörungen gelitten hatten. In ihren Gehirnen war ebenfalls eine Veränderung bei den Neurotransmittern festzustellen.

„Unsere Ergebnisse liefern wichtige Einblicke in die Mechanismen, die bei der Generalisierung von Angst eine Rolle spielen“, so Nicholas Spitzer. Es werde nun besser möglich, den Mechanismus zu beeinflussen, der die Störungen auslöst. Bei Laborversuchen mit Mäusen gelang ein erster Schritt. Die Tiere bekamen nach einer Stresssituation ein Antidepressivum. Der Wechsel der Neurotransmitter wurde verhinder – die Angst blieb aus.

„Wir kennen nun den Mechanismus, durch den stressbedingte Angst entsteht. Und wir haben die Schaltkreise im Griff, die diese Angst umsetzen. Darauf können wir nun zielgerichtet Einfluss nehmen“, so Spitzer.