Faktor für schwere CoV-Verläufe identifiziert

Seit Beginn der Pandemie sucht die Forschung nach Faktoren, die die Schwere und die Mortalität einer Covid-19-Erkrankung bestimmen. Jetzt identifizierte ein internationales Team mit Beteiligung aus Wien einen Immunbotenstoff als Kernpunkt für schwere Krankheitsverläufe und Lungenschäden.

Die dysregulierte Immunantwort und die Entzündungsmechanismen, die zu schweren Covid-19-Krankheitsverläufen führen, sind laut dem Team um Marie-Christine Albert von der Universität Köln, unter ihnen Roman Reindl-Schwaighofer von der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien, noch immer nicht komplett verstanden. Erst kürzlich wurde fehlgeleiteter Zelltod als Ursache für letal endende Entzündungen identifiziert. Darauf aufbauend haben Albert und Co. die Hypothese aufgestellt, dass dieser Prozess auch die krankhafte Entzündung und das Lungenversagen nach einer SARS-CoV-2-Infektion verursachen oder dazu beitragen könnte.

Für die nun im Fachmagazin "Cell Death & Differentiation“ erschienene Studie entwickelte das Team zunächst ein neues Tiermodell (MA20) mit Mäusen, an dem die wichtigen Krankheitsabläufe von Covid-19 nachverfolgt werden konnten. Dazu verwendeten die Experten einen SARS-Cov-2-Virusstamm mit einer Mutation, welche eine stärkere Affinität der Erreger an die ACE2-Rezeptoren von Mäusen bewirkte. ACE2-Rezeptoren sind der Eintrittsort für SARS-CoV-2 in Zellen. In Serienexperimenten mit 20 Infektionen von jeweils immer neuen Tieren wurde ein Virus gezüchtet, das bei den Tieren schwere bis tödliche Krankheitsverläufe verursachte.

Zelltod ausgelöst

Schließlich wurden junge und alte Mäuse eines bekannten Laborstammes infiziert. "Gleichzeitig mit dem Auftreten von Zelltod und Entzündung erhöhte sich die Expression von FasL (Fas-Liganden) auf monozytischen Makrophagen und NK-Zellen („Fresszellen" und sogenannte Natural Killer Zellen; Anm.) bei den mit MA20 infizierten Mäusen“, schrieben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Bei FasL handelt es sich quasi um einen Immunbotenstoff. Bindet FasL an Zellen mit dem entsprechenden Rezeptor, bedeutet das ein Signal, das den programmierten Zelltod (Apoptose), eine Art Selbstmord der Zellen, auslöst. Normalerweise dient dieser Mechanismus dazu, bei Säugetieren und auch beim Menschen nicht benötigte, womöglich schädliche Zellen zu beseitigen. Bei Krebszellen funktioniert das allerdings zumeist nicht.

Das Team blockierte dann bei mit SARS-CoV-2 infizierten Mäusen FasL. Das Ergebnis: Diese Behandlung erhöhte die Lebensrate der Tiere dramatisch, bei älteren Mäusen zum Beispiel von 40 auf 90 Prozent. „Die therapeutische Blockade von FasL verringert den Zelltod und die Entzündung in den Lungen von mit MA20 infizierten Mäusen“, heißt es in der Arbeit. Offenbar sind Immunzellen mit einer besonders starken Produktion von Fas-Liganden für die oft tödlichen Lungenkomplikationen – hervorgerufen durch schwere Gewebeschäden infolge von Zelltod – im Rahmen von Covid-19-Erkrankungen verantwortlich.

Mögliche Behandlung

Der Clou, so die Autoren der Studie: „FasL ist auch verstärkt vorhanden in Lungen-Lavage-Flüssigkeit (Flüssigkeit aus Entnahmen zu Diagnosezwecken; Anm.) von Covid-19-Patienten in einem kritischen Krankheitsstadium. Insgesamt identifizieren die Forschungsresultate FasL als bestimmenden Faktor der krankmachenden Immunantwort, welche die Schwere und die Letalität von Covid-19 verursacht. Das impliziert, dass Patienten mit einer schweren Covid-19-Erkrankung von einer Blockade von FasL als Behandlung profitieren könnten.“