Bonoboweibchen mit Nachwuchs
Maud Mouginot
Maud Mouginot
Verhaltensforschung

Bonobos aggressiver als gedacht

Bonobos und Schimpansen sind die engsten Verwandten des Menschen. Sie spiegeln auch zwei Seiten der menschlichen Natur: friedliebend die Bonobos, konfliktfreudig die Schimpansen. Seit einiger Zeit bröckelt allerdings das Image der „Hippieaffen“. Eine Studie kommt nun zum Schluss: Bonobos sind deutlich aggressiver als oft angenommen.

Obwohl die nächsten menschlichen Verwandten auch untereinander sehr eng verwandt sind, könnte ihre Lebensweise nicht unterschiedlicher sein: Schimpansen leben in männlich dominierten Gruppen, die vom Konkurrenzkampf um die Position des Alphamännchens und sexueller Nötigung geprägt sind. Auch fremde Artgenossen oder deren Nachwuchs werden mitunter angegriffen oder gar getötet.

Bei den Bonobos haben hingegen meistens die Weibchen das Sagen. Die männlichen Tiere sind freundschaftlich mit ihnen verbunden, besonders mit der eigenen Mutter. Konflikte werden gern mit Sex gelöst und eskalieren seltener. Auch gegenüber fremden Artgenossen sind sie aufgeschlossener.

Bonoboweibchen mit Nachwuchs
Maud Mouginot
Bonoboweibchen und Junges

Diese Unterschiede haben vermutlich zu dem überaus positiven Bild der Bonobos beigetragen – sie gelten gewissermaßen als die Hippies unter den Menschenaffen. In der jüngeren Vergangenheit häufen sich allerdings Hinweise, dass dieses Image vielleicht doch etwas zu romantisierend sein könnte. Eine neue, soeben im Fachmagazin „Current Biology“ erschienene Studie nährt ebensolche Zweifel.

Häufiger aggressiv

Der Veröffentlichung sind 14 Jahre an umfangreicher Beobachtung vorangegangen, bei drei Bonobogruppen im Kongo und zwei Schimpansengemeinschaften in Tansania. Zwölf Bonobos und 14 Schimpansen hat das Team um Maud Mouginot von der Boston University dabei immer wieder ganz genau zugesehen. Ihr Verhalten wurde von früh bis spät dokumentiert, mit allen Begegnungen und Konflikten im Lauf ganzer Tage.

Zu ihrer eigenen Überraschung stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass Bonobomännchen häufiger aggressiv agierten als ihre Geschlechtsgenossen bei den Schimpansen, etwa dreimal so häufig. Ihre Aggressionen richteten sich aber fast ausschließlich gegen andere Männchen, die der Schimpansen meist gegen Weibchen.

Gruppen- vs. Einzelkämpfer

Bei den Schimpansen bildeten sich bei Konflikten immer wieder Verbände mehrerer Männchen. Diese Koalitionen könnten laut den Forschern und Forscherinnen der Grund sein, warum die Schimpansen insgesamt weniger aggressiv waren.

Junge männliche Schimpansen
Maud Mouginot
Junge männliche Schimpansen

Auseinandersetzungen, an denen mehrere Tiere beteiligt sind, können nämlich sehr gefährlich sein und zu Verletzungen führen. Einzelkämpfe würden die Gruppe für diese Kämpfe schwächen. Für die Bonobos sei das kein Problem, ihre Konflikte sind immer eins zu eins. Außerdem, so Mouginot und ihr Team, endete bei ihnen kein einziger Kampf tödlich. Bonobos leben auch nicht territorial. Das schaffe Raum für interne Streitereien.

Mehr Paarungserfolg

Bei beiden Menschenaffen hatten die aggressiven Männchen mehr Erfolg bei der Fortpflanzung. Damit hätte das Team bei den Bonobos nicht gerechnet, dominieren in ihren Gruppen doch meistens die Weibchen. „Aggressivere Männchen haben mehr Paarungen. Das haben wir nicht erwartet“, so Mouginot in einer Aussendung zur Studie. „Das heißt, dass sich die Weibchen nicht notwendigerweise für die netteren Männchen entscheiden.“ Das widerspreche zumindest in Teilen gängigen Thesen der Verhaltensforschung und der Anthropologie, wonach sich Aggression bei Bonobos und Menschen evolutionär als weniger nützlich erwiesen habe als bei Schimpansen.

Komplexere Verhaltensmuster

Es gehe nicht darum, das Bild von den friedfertigen Bonobos zu diskreditieren, betont Mouginot. Aber das Verhalten beider Arten sei offensichtlich deutlich komplexer und weniger schwarzweiß als oft angenommen. Schimpansen wie Bonobos nutzen Aggressionen auf eine bestimmte Weise aus unterschiedlichen Gründen.

Für diese Studie konzentrierten sich die Forscher und Forscherinnen auf männliche Aggressionen, die vor allem für die Fortpflanzung eine wichtige Rolle spielen. Aber auch Bonobo- wie Schimpansenweibchen seien nicht ausschließlich passiv, wie das Team abschließend anmerkt. Ihre Aggressionen müssten gesondert untersucht werden.