Blaumeise (Cyanistes caeruleus) sitzt auf einem Ast im Garten, im Hintergrund: rote Beeren
DPA-ZENTRALBILD/PATRICK PLEUL
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Ornithologie

Junge Blaumeisen „gehen seltener fremd“

Blaumeisen sind alles andere als treue Gefährten, in vielen Nestern gibt es fremden Nachwuchs. Wobei Jungvögel seltener bei anderen Weibchen landen als ältere Artgenossen. Diese Unterlegenheit der Jungspunde bei „Seitensprüngen“ interessierte ein deutsch-britisches Forschungsteam.

Offenbar werden junge Blaumeisen bei Seitensprüngen von der älteren Konkurrenz übertrumpft, berichten die Forschenden im Fachjournal „PLOS Biology“. Möglicherweise seien die älteren Vögel im Kampf erfolgreicher, werden als attraktiver empfunden oder investieren mehr Energie ins Fremdgehen. Auch eine Mischung von Faktoren sei denkbar.

Das Forschungsteam aus Bayern und Großbritannien um Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz in Seewiesen/Pöcking hatte Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) untersucht, die in Nistkästen im Wald brüteten. Neben Verhaltensbeobachtungen wurden DNA-Tests durchgeführt.

Übermacht der Älteren

Die Analyse bestätigte zunächst, dass einjährige männliche Blaumeisen weniger erfolgreich bei der Zeugung von Nachwuchs außerhalb ihrer Partnerschaft sind. Doch geht das auf mangelnde Erfahrung, weniger Interesse oder unausgereifte körperliche Merkmale zurück – oder werden sie von älteren Artgenossen ausgebootet?

Das Team siedelte zur Klärung dieser Frage in einem Jahr fast alle älteren Männchen der Population um und verglich den Bruterfolg der Jährlinge dann mit den Daten der vorangegangenen 15 Jahre. Ohne die Konkurrenz durch Ältere zeugten 33 Prozent der Jungspunde mindestens einen Nachkommen außerhalb ihrer Partnerschaft – in den Jahren davor waren es im Mittel nur 13 Prozent. Bei Blaumeisen besteht ein Gelege aus etwa 8 bis 15 Eiern.

Erfahrung siegt

Ohne die betagtere Konkurrenz verlaufe das Fremdgehen junger Blaumeisen-Männchen so erfolgreich wie das älterer, lautet das Fazit des Teams. Die Ursache des unter normalen Umständen geringeren Erfolgs seien also nicht Faktoren wie mangelndes Interesse an außerehelichen Techtelmechteln. Vielmehr seien die Älteren eine übermächtige Konkurrenz.

In vielen Nestern von Blaumeisen finden sich außerhalb der Partnerschaft befruchtete Eier
Lotte Schlicht, MPIBI
In vielen Blaumeisennestern liegen Eier fremder Väter

Dabei könnte den Forschenden zufolge zum Beispiel eine Rolle spielen, dass sie von mehr Erfahrung bei der Nahrungssuche profitieren und so mehr Zeit und Ausdauer für die Brautwerbung haben. Womöglich vermögen sie auch leichter fremdgehbereite Weibchen auszumachen und kennen sich generell besser mit den Revieren von Artgenossen in ihrem Gebiet aus.

Kaum Zufallsbekanntschaften

Von vielen Singvögeln ist bekannt, dass sie zwar feste Brutpaare bilden, sich aber auch mit anderen paaren und außereheliche Nachkommen zeugen. Für Blaumeisen hatten Forscher bereits gezeigt, dass solche Seitensprünge nicht aus zufälligen Begegnungen mit Unbekannten resultieren, sondern sich die Fremdgänger meist schon länger kennen. Während die kleinen Vögel in der Brutzeit Reviere bilden, ziehen sie im Winter gern als Clique gemeinsam umher.

Die mangelnde Treue hat evolutionsbiologisch Vorteile, wie Forscherinnen und Forscher annehmen: Männchen erhöhen die Zahl ihrer Nachkommen ohne mehr Aufwand für die Brutpflege. Weibchen haben so die Chance, die genetische Vielfalt ihres Nachwuchses zu erhöhen. Wichtig ist das für beide Elternteile auch deshalb, weil gerade Blaumeisen eine geringe Überlebensrate von im Mittel nur zwei bis drei Jahren haben. Nur unter optimalen Bedingungen sind mehr als zehn Jahre möglich.