Junge Frau betrachtet Bild im Museum
guruXOX/stock.adobe.com
guruXOX/stock.adobe.com
Wahrnehmung

Wie Bilder das Zeitgefühl beeinflussen

Manchmal vergeht die Zeit wie im Flug, dann scheint sie förmlich stillzustehen. Schon einfache optische Unterschiede können das subjektive Zeitempfinden laut einer neuen Studie beeinflussen: Beim Betrachten besonders einprägsamer Bilder vergeht die Zeit anscheinend deutlich langsamer.

Nur physikalisch ist Zeit exakt messbar, für den einzelnen kann sie hingegen recht unterschiedlich voranschreiten. Denn auch wenn die innere Uhr den Rhythmus vorgibt und ungefähr einen 24-Stunden-Takt durchläuft, kann man damit keine Sekunden, Minuten und Stunden messen. Wie lange oder kurz einem eine Zeitspanne aktuell oder in der Erinnerung vorkommt, hat mit sehr vielen Einflüssen zu tun.

Unter anderem prägen innere Erwartungen und äußere Umstände das subjektive Zeitempfinden. Wenn man etwa auf etwas wartet, können Minuten ewig dauern, im Urlaub hingegen verfliegen die Tage wie im Nu – rückblickend ist es interessanterweise in der Regel genau umgekehrt: Obwohl sie so schnell verrinnen, wenn man mittendrinnen steckt, erscheinen besonders erlebnisreiche Phasen in der Erinnerung meist länger.

Optische Unterschiede

Derartige Unterschiede beim subjektiven Zeitempfinden lassen sich schon auf der einfachen Wahrnehmungsebene nachweisen, wie eine soeben im Fachmagazin „Nature Human Behaviour“ erschienene Studie illustriert: Auch optische Unterschiede verändern die Zeiteinschätzung.

Die Forscher und Forscherinnen um Martin Wiener von der George Mason University führten mehrere Experimentreihen durch, um zu untersuchen, wie sich bestimmte Eigenschaften von Bildern auf die Zeitwahrnehmung der 170 Probanden und Probandinnen auswirken.

Die insgesamt mehr als 252 Bilder hatten sechs verschiedene Größen, die Darstellungen waren unterschiedlich detailliert und komplex. 300 bis 900 Millisekunden mussten diese betrachtet werden, anschließend sollten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Betrachtungszeit schätzen. Die Ergebnisse der Experimente wurden durch Berechnungen eines neuronalen Netzwerks zur Bildverarbeitung ergänzt.

Große und einprägsame Bilder

Es zeigte sich, dass die Einschätzung der Zeitspanne tatsächlich von verschiedenen Eigenschaften der Bilder abhängt, etwa von der Größe der abgebildeten Szene (z.B. ein Kasten im Vergleich zu einem Stadion), dem Grad der Unordnung (z. B. eine volle Speisekammer im Vergleich zu einem leeren Lagerhaus) und davon, wie „erinnerungswürdig“ das Abgebildete ist. Damit sind etwa jene Bilder gemeint, die für die Betrachter etwas Neues beziehungsweise Überraschendes zeigen und die sich sehr stark von allen anderen Abbildungen unterscheiden. Auch farbenfrohe oder kontrastreiche Bilder dürften einprägsamer sein, wie Wiener in einer Online-Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung ausführt.

Solche einprägsamen Bilder scheinen die Zeit laut der Studie im Rückblick genauso zu dehnen wie besonders große. D. h., die Probanden und Probandinnen haben das Gefühl, sie hätten die Darstellung länger betrachtet, als das tatsächlich der Fall war. Umgekehrt verhält es sich bei Bildern, die ein heilloses Durcheinander zeigen – in diesem Fall verkürzt sich die subjektiv empfundene Betrachtungszeit.

Wie die Forscher und Forscherinnen außerdem feststellten, gibt es wohl einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen gefühlter Zeit und Einprägsamkeit: Bei erinnerungswürdigen Bildern ist die Zeiteinschätzung genauer und Bilder, die gefühlt länger betrachtet wurden, bleiben auch besser im Gedächtnis.

Effiziente Verarbeitung

Die Unterschiede in der Zeiteinschätzung sind laut Wiener und Co. darauf zurückzuführen, wie das Gehirn die optischen Informationen aufnimmt: Erinnerungswürdige Abbildungen werden dort schneller verarbeitet, was aber subjektiv eher als Zeitdehnung empfunden wird. Solche Phänomene könnten laut Wiener auch dazu beitragen, dass abwechslungsreiche Lebensphasen rückblickend länger erscheinen, z.B. ein Urlaub oder die Kindheit im Vergleich zu anderen Lebensabschnitten.

Für das visuelle System erfüllen Beschleunigung wie Verlangsamung jedenfalls einen bestimmten Zweck, heißt es in der Studie. Zeit diene dem Gehirn gewissermaßen als Suchstrategie, bei der bedeutsame und wichtige Inhalte schneller verarbeitet werden. Zeit werde dabei abhängig von den Inhalten gedehnt beziehungsweise komprimiert, um die Informationsverarbeitung insgesamt effizienter zu machen.