Eine Frau durchwühlt einen Berg aus Plastikflaschen
AFP – LILLIAN SUWANRUMPHA
AFP – LILLIAN SUWANRUMPHA
Studie

Bakterien können Plastikmüll zersetzen

Müllberge aus Plastik sind ein stetig wachsendes Umweltproblem. Für manche häufig verwendete Kunststoffe gibt es bisher außerdem kaum Recyclingmodelle. Plastikzersetzende Bakterien, die diesen Polymeren während der Herstellung beigemischt werden, könnten künftig einen Ausweg bieten, zeigt eine Studie aus den USA.

Eine Welt ohne Plastik ist nicht mehr vorstellbar. Egal ob Getränkeflaschen, Verpackungsmaterial, Bekleidung, Geschirr, Bodenbeläge, Fensterrahmen, Möbel – Plastik wird überall verwendet. Es ist leicht, kostengünstig in der Produktion und vor allem langlebig. Genau das macht es zu einem massiven Umweltproblem, denn in der Natur ist Plastik schwer bis gar nicht abbaubar.

Manche Kunststoffarten lassen sich auch kaum recyclen. Plastik aus Polyurethan (PU) zum Beispiel, das aufgrund seiner guten Dehnungseigenschaften in der Industrie breitflächigen Einsatz findet, galt bis vor wenigen Jahren genau wegen dieser Merkmale als nicht wiederverwendbar. Obwohl es in der Zwischenzeit bereits einige Recyclingmethoden gibt, landen noch immer viele Produkte aus Polyurethan – Handyhüllen, Schuhsohlen, Elasthan in Kleidungsstücken, auch Autoteile oder Schaumfüllungen für Matratzen und Polster (PU-Schaum) – nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer direkt auf Mülldeponien oder werden verbrannt. Dabei können giftige Substanzen freigesetzt werden.

Leben im Kunststoff

Immer wieder wurde auch versucht, diese Kunststoffe biologisch zersetzbar zu machen. Viele dieser Bemühungen führten aber zu einer Verschlechterung der erwünschten Materialeigenschaften von Polyurethan und ließen sich nur schwer auf industrielle Prozesse übertragen.

Einem Team um Jonathan Pokorski und Han Sol Kim von der University of California San Diego gelang es nun, eine mit lebenden Organismen angereicherte Version von Polyurethan herzustellen, die die industrielle Fertigung nicht behindert, wie die beiden Wissenschaftler in der soeben im Fachjournal „Nature Communications“ erschienenen Studie berichten. Dafür nutzten die Forschenden Sporen des Bakteriums Bacillus subitilis, die sie dem Plastik im Herstellungsprozess beimengten.

Hunger auf Plastik

Bacillus subtilis zählt zu den bekanntesten sporenbildenden Bakterien. Um mit für sie potenziell lebensfeindlichen Bedingungen wie hohen Temperaturen, hohem Druck und Giftstoffen wie Säuren, Basen und Lösungsmitteln zurechtzukommen, haben manche Bakterienarten Sporen entwickelt. Diese Sporen sind die meiste Zeit ihres Lebens inaktiv und können jahrelang schlafend überdauern, um dann durch äußere Trigger gesteuert innerhalb von Minuten zu keimen und sich in lebensfähige Zellen zu verwandeln.

Genau diese Eigenschaften wollten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunutze machen. Ein weiterer Vorteil von Bacillus subtilis: Einige Stämme dieser fast überall in der Natur vorkommenden Bakterienart können polyesterbasierte Polymere wie Polyurethan zersetzen – sie ernähren sich also tatsächlich von Plastik.

Hitze ist das Problem

Allerdings vertragen ihre Sporen die hohen Temperaturen von mehr als 130 Grad Celsius nicht, die bei der industriellen Fertigung von Polyurethanen notwendig sind. Schon bei Temperaturen um 100 Grad Celsius überleben sie nur wenige Minuten.

Mithilfe biotechnologischer Verfahren wie der sogenannten Adaptiven Laborevolution (ALE) gelang es den Forschenden hitzeresistente Sporen herzustellen, die deutlich höhere Temperaturen tolerieren. Als lebende Zusatzstoffe wurden diese Sporen anschließend dem Plastik beigemengt. Fast 100 Prozent aller biotechnologisch veränderten Sporen überlebten die zur Herstellung von thermoplastischem Polyurethan notwendigen Verarbeitungstemperatur von rund 135 Grad Celsius.

Bakterien als Müllarbeiter

Um zu prüfen, ob und wie gut das angereicherte Plastik in nährstoffarmen Böden von Mülldeponien tatsächlich zersetzt werden kann, stellte das Forschungsteam sterilisierten Kompost her, der anschließend mit nur wenigen Mikroorganismen versetzt wurde. Auch in dieser an Mikroben armen Umgebung konnten die Sporen keimen. Innerhalb von fünf Monaten wurde der Kunststoff Polyurethan bei einer Umgebungstemperatur von 37 Grad Celsius zu rund 93 Prozent von den Bakterien zersetzt.

Die Studie lässt jedoch die Frage offen, ob bei diesem Zersetzungsprozess Giftstoffe aus den Polyurethanen ins Erdreich entweichen können. „Wir sind noch damit beschäftigt zu verstehen, welche Substanzen während dem Zerfall freigesetzt werden. Bisher fanden wir aber keine Hinweise auf giftige Schadstoffe“, erklärt Pokorski gegenüber science.ORF.at. Auch, ob das Plastik von den Bakterien tatsächlich abgebaut wird oder nur zerfällt, ist noch nicht wirklich verstanden. „Wir konnten aber bereits feststellen, dass bei diesem Prozess CO2 entsteht“, so Pokorski. Beides müsse jedenfalls in weiteren Studien untersucht werden.