Forschungsarbeit: Mediziner sitzt am Laptop
Nikcoa – stock.adobe.com
Nikcoa – stock.adobe.com
Kommunikation

Falschinformationen spiegeln kulturelle Unterschiede

Die Verbreitung von Falschinformation im Internet und über Social Media birgt großes Potenzial für gesellschaftliche Verwerfungen. Welche „Fake News“ bevorzugt weitergetragen werden, unterscheidet sich je nach Land. Kleine kulturelle Unterschiede haben großen Einfluss auf die Weitergabe von Falschinformationen zu bestimmten Themen, zeigt eine Studie aus Italien.

Wie sich Fehlinformationen im Internet verbreiten und welche Rolle dabei Faktoren wie etwa Echokammern spielen, in denen sich Gleichgesinnte in ihren Überzeugungen bestärken, weiß die Forschung mittlerweile recht gut. Empfehlungsalgorithmen in sozialen Medien stehen ebenfalls in Verdacht, die Weitergabe von Falschnachrichten zu fördern.

Eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Fabiana Zollo von der Universität Ca‘ Foscari in Venedig will mit ihrer im Journal „PLOS ONE“ erschienenen Studie Strategien finden, um der Verbreitung von Fehlinformation in Europa entgegenzuwirken.

Glaubwürdig oder nicht?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verglichen die Nutzung von insgesamt 874 Nachrichtenkanälen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien, die von 2019 bis 2021 Informationen auf der Social-Media-Plattform „X“ (vormals Twitter) bereitstellten. So wollten sie herausfinden, wie Themen von gesamteuropäischer Bedeutung in diesen vier Ländern aufgenommen wurden und welche Rolle mehr oder weniger vertrauenswürdige Informationsquellen dabei spielten.

Basierend auf Daten von NewsGuard – einem Tool, das die Zuverlässigkeit von Nachrichten anhand journalistischer Kriterien bewertet – teilten sie die untersuchten Medien in zuverlässige und fragwürdige Quellen und sahen sich an, welche Themen sowohl von den einen als auch von den anderen Medienkanälen ausführlicher behandelt wurden und zu Online-Debatten auf „X“ (vormals Twitter) führten. Drei Themen tauchten in allen vier Ländern prominent auf: der Brexit (2019), die CoV-Pandemie (2020) und Covid-Impfstoffe (2021).

Brexit, Coronavirus & Co.

Die Forschenden stellten fest, dass zuverlässige Nachrichtenquellen zu diesen Inhalten in allen vier untersuchten Ländern deutlich mehr Aufmerksamkeit bekamen. Allerdings zeigte sich auch, dass Falschinformationen je nach Thema und Land unterschiedlich häufig gelesen wurden. So gab es etwa in Italien den höchsten Prozentsatz an Leuten, die fragwürdige Information zum Thema Brexit konsumierten, aber die wenigsten Forenbeiträge zu Falschmeldungen rund um das Coronavirus.

Generell war der Anteil fragwürdiger Beiträge zu den Themen Brexit und CoV-Impfstoffe in Italien, Frankreich und Deutschland deutlich höher als zur Debatte rund um das Coronavirus. In Großbritannien jedoch könnten die Forschenden diese Unterschiede nicht feststellen – mit einer Ausnahme: Bei Diskussionen zum Coronavirus gab es hier etwas mehr fragwürdige Postings.

Fragwürdige Nachrichtencluster

Auffällig sei ebenfalls, dass es in Frankreich, Deutschland und Italien eine klar erkennbare Gruppe von fragwürdigen Nachrichtenanbietern gibt, so das Forschungsteam. Das sei ein Hinweis darauf, dass es in diesen drei Ländern auch Gruppierungen von Menschen gebe, die hauptsächlich oder ausschließlich fragwürdige Nachrichten konsumieren.

Je einen solchen Cluster zu jedem der untersuchten Themen (Brexit, Coronavirus und Covid-Impfstoffe, Anm.) fanden die Forschenden zum Beispiel in Deutschland und Italien. In Frankreich stellten sie sogar zwei Cluster fest, die 2019 während der Brexit-Debatte unzuverlässige Inhalte transportierten.

Zuverlässige Quellen bevorzugt

Die Mehrheit der Teilnehmenden in Online-Diskussionen bezieht ihre Informationen aber hauptsächlich oder ausschließlich aus zuverlässigen Nachrichtenkanälen, schließen die Autorinnen und Autoren. Allerdings gebe es in jedem der vier untersuchten Länder in jeder Debatte auch einen zwar kleinen, aber bemerkenswerten Anteil von Personen, die ausschließlich fragwürdige Quellen zur Untermauerung ihrer Standpunkte heranziehen. Sie spielen offenbar eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung von Fehlinformation.

Wann und warum sich Nutzerinnen und Nutzer zuverlässiger und fragwürdiger Quellen mischen, müsse weiter untersucht werden – und zwar sowohl unter Berücksichtigung des Themas, über das sich Menschen in Online-Foren austauschen, als auch in Hinblick auf das Land, wo diese Debatten stattfinden. Das sei auch gesellschaftspolitisch von Bedeutung, um die Entstehung von spaltenden Narrativen besser zu verstehen und dementsprechend maßgeschneiderte Strategien gegen die Verbreitung von Falschinformationen zu entwickeln. Denn, so das Forschungsteam: Je nach Thema und Land beeinflussen offenbar kleine kulturelle Unterschiede die Verbreitung von Falschinformationen zu bestimmten Themen maßgeblich mit.