Wie virale Botschaften entstehen

Für manche Posts in sozialen Netzwerken scheint sich kaum jemand zu interessieren, andere gehen förmlich durch die Decke. Warum? Eine Analyse zeigt: Bei politischen Botschaften sorgen moralisch-emotionale Vokabel für Aufmerksamkeit - etwa das Wort ‚Gier‘.

Die Wissenschaftler um William Brady von der New York University konzentrierten sich in ihrer Untersuchung auf drei Themen, die 2015 in sozialen Netzwerken in den USA besonders kontrovers diskutiert wurden: Waffenkontrolle, Klimawandel und gleichgeschlechtliche Ehen.

Bisherige Studien hatten gezeigt, dass Gefühle moralische Urteile verstärken können - und außerdem mit einem Prozess zusammenhängen, den Psychologen „soziale Ansteckung“ nennen.

Twitter: Katalytische Vokabel

Daher suchten Brady und Co. in mehr als 500.000 Tweets nach ebendiesen Bedeutungen: nach Wörtern, die entweder dem Bereich der Moral („Pflicht“) oder der Emotion („Angst“) entstammen; sowie nach solchen, die beide Anteile enthalten, wie zum Beispiel „Gier“, „Hass“ oder „Friede“.

Ergebnis: Es waren vor allem die moralisch-emotionalen Mischwörter, die normale Tweets von viralen Botschaften unterscheiden. Ein Wort aus dieser Kategorie erhöht laut Forschern die Wahrscheinlichkeit für einen Retweet (also die Weiterleitung der Botschaft) um 20 Prozent.

„Die Teilnehmer in den sozialen Netzwerken könnten ihren Einfluss verstärken, indem sie sich solcher Wörter bedienen. Das gilt auch für die politische Elite“, sagt Brady.

„Ansteckung“ fördert Blasenbildung

Dieser Effekt greift allerdings nur zwischen Nutzern bzw. Lesern mit ähnlicher Weltanschauung. Was wiederum erklären könnte, warum in sozialen Netzwerken ideologische Blasen entstehen - und etwa die Standpunkte zwischen Liberalen und Konservativen in den USA immer weiter auseinanderdriften.

Ob sich Tweets mit positiven oder mit negativen Aussagen stärker verbreiten, ist laut Angaben der Studienautoren noch offen. Fazit: Die „moralische Ansteckung“, wie sie die Forscher nennen, funktioniert am besten mit Vokabular, das Emotion und Moral gleichermaßen bedient. Und wenn sie funktioniert, dann führt sie zu inhaltlicher Polarisierung.

science.ORF.at/dpa

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