Genetische Vielfalt hat Rom groß gemacht

Das antike Rom wurde einst vom kleinen Stadtstaat zum Zentrum eines Reichs mit 70 Millionen Menschen. Wie Forscher berichten, beherbergte es von Anfang an eine enorme genetische Vielfalt durch Migranten aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Südeuropa.

Ein Team um die Hauptautoren Jonathan Pritchard von der Stanford University, Alfredo Coppa von der Universität La Sapienza in Rom und Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien untersuchte die „alte DNA“ von 127 Individuen aus archäologischen Fundstätten in und bei Rom. Das geborgene und analysierte menschliche Erbgut stammte aus einer Zeitspanne von 12.000 Jahren.

Diese Menschen hatten dort in der Mittelsteinzeit als Jäger und Sammler gelebt bzw. in der Jungsteinzeit als Bauern. In der Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit waren sie Händler und Handwerker, während der Römischen Republik und der Kaiserzeit Soldaten, Politiker und Sklaven bzw. in der späten Antike Bürger. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit handelte es sich um Leibeigene und Edelmänner.

Zwei Wanderwellen

Die Forscher konnten zwei große Migrationsbewegungen nach Rom ausmachen und spätere kleinere Änderungen in der Bevölkerungsstruktur. Zunächst einmal gab es vor etwa 7.000 Jahren einen Zustrom von Bauern aus dem heutigen Iran und der Türkei, die damals in Italien ansässige Jäger und Sammler verdrängten.

Die nächste Einwanderungswelle folgte in der Bronzezeit irgendwann vor 5.000 bis 3.000 Jahren. Technische Fortschritte wie von Tieren gezogene Wägen, Straßennetze und Segelschiffe hatten die Menschen mobiler als je zuvor gemacht, und der Handel sowie andere Interaktionen zwischen den Bevölkerungsgruppen im Mittelmeerraum nahmen zu. So kam es, dass am Ende der Eisenzeit, als Rom gegründet wurde - man erinnere sich an den Merksatz „753, Rom schlüpft aus dem Ei“ -, dort schon Menschen mit Vorfahren aus der ukrainischen Steppe, dem Nahen Osten, anderen Teilen Europa und Nordafrika lebten. Die Individuen des jungen Roms zeichnete laut ihren genetischen Daten durchwegs sehr variable Abstammung aus.

Vom Stadtstaat zum Weltreich

Ihre Nachfahren machten wiederum Rom von einem von vielen Stadtstaaten auf der italienischen Halbinsel zum Weltreich. Es umspannte den ganzen Mittelmeerraum und dehnte sich weit in die drei Kontinente rundherum aus, nämlich Europa, Asien und Afrika, sodass die Römer Gebiete bis Britannien, Marokko, Ägypten und Assyrien (nördliches Mesopotamien) beherrschten. In der Zeit der Römischen Republik und des Kaiserreichs erreichte die Metropole Einwohnerzahlen von über einer Million und im ganzen Reich lebten etwa 70 Millionen Menschen. Damals kamen die meisten Einwanderer wohl aus dem östlichen Mittelmeerraum in die „Ewige Stadt“ und recht wenige aus den westlichen Provinzen, berichten die Forscher. Dies mag daran gelegen haben, dass in den großen Städten im Osten des „Mare Nostrum“ („Unseres Meeres“) wie Athen und Alexandria die Bevölkerungsdichte sehr hoch war.

In der späten Antike und durch den Zerfall des Reiches wurde die Bevölkerung Roms durch Kämpfe und Epidemien auf weniger als 100.000 Menschen dezimiert. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit gab es wieder Zuwanderung. Laut den Ergebnissen der Wissenschaftler hatten in diesen Zeiten viele Römer Vorfahren aus Mittel- und Nordeuropa. Es waren demnach etwa Lombarden aus dem heutigen Ungarn, Sachsen aus England und Wikinger aus Schweden zugereist, um zu bleiben.

science.ORF.at/APA

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