Spritze und Impfstofffläschchen
Adobe Stock/Daniel CHETRONI
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Coronavirus

Genbasierte Impfstoffe als Hoffnungsträger

Die Produktion herkömmlicher Impfstoffe ist zeitaufwendig – deswegen arbeiten derzeit einige Medikamentenentwickler mit neuen genbasierten Methoden. Damit könnten in kurzer Zeit große Mengen an Impfdosen produziert werden. Noch ist kein solcher Impfstoff zugelassen.

Für herkömmliche Impfstoffe muss man das Virus, vor dem man schützen möchte, zunächst vermehren und es dann in abgeschwächter Form oder zerstörte Reste davon per Impfung verabreichen. Viren anzuzüchten und in so großer Menge zu produzieren, kann jedoch mehrere Monate dauern. Bei genbasierten Impfstoffe, die mit der Erbinformation des Sars-Coronavirus-2 arbeiten, könnte das anders sein – so die Hoffnung einiger Entwickler.

Eine solche Impfstudie findet derzeit am Universitätsklinikum Tübingen statt. Der Impfstoff der Firma Curevac setzt auf messenger RNA. Diese Boten-Nukleinsäure, kurz mRNA, gelangt über kleine Fettteilchen nach der Injektion in die Muskelzellen. Dort verwendet die Impfung den zelleigenen Apparat, um die mRNA in Eiweiß umzuschreiben und in Folge eine Immunreaktion zu aktivieren.

Antigen trainiert Immunsystem

Bei diesen Eiweiß-Molekülen handle es sich um das Antigen des Sars-CoV-2, sagt Peter Kremsner, Leiter des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie des Universitätsklinikum Tübingen. „Dieses Eiweiß, das Antigen, wird dann dem menschlichen Immunsystem als fremd gezeigt“, so der Infektiologe. In Folge löse der Körper eine Kaskade von Immunreaktionen aus und bilde unter anderem eben Antikörper gegen dieses S-Antigen des Sars-CoV-2.

Die Antigene zeigen sich auf der Zellhülle, das menschliche Immunsystem erkennt die Zelle folglich als infiziert und beginnt Antikörper zu bilden. Sollte das echte Sars-CoV-2 in den Körper eindringen, ist das Immunsystem vorbereitet und kann die Infektion verhindern. Theoretisch funktioniert dieses Prinzip, das haben Tierversuche bereits gezeigt. Am Menschen erprobt werden sie im Fall von Covid-19 seit einigen Monaten.

Studien am Menschen fortgeschritten

Die Studie in Tübingen ist bereits in Phase zwei angekommen. In der ersten Phase habe man ausschließlich 18- bis 60-jährige gesunde Freiwillige geimpft. „Jetzt werden wir hier in Tübingen und an anderen Standorten, etwa in Peru, auch über 60-Jährige impfen und Menschen mit einfachen Grunderkrankungen“, sagt Kremsner. So wolle man die Sicherheit des Impfstoffes überprüfen.

Bei der Phase drei, die im November an verschiedenen Standorten in Europa und Südamerika startet, handelt es sich um eine doppelt-verblindete, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie mit 27.000 Probanden, wo die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit des Impfstoffs endgültig erhoben werden sollen.

Keine Gefahr für menschliches Erbgut

Für derzeit kursierende Bedenken, die Virus-mRNA könnte in das menschliche Erbgut eingebaut werden, gebe es keine wissenschaftliche Begründung, betont der Infektiologe. Die mRNA wird in der menschlichen Zelle lediglich abgelesen und dann abgebaut. „So wie wir die mRNA des Virus verabreichen, ist das schlicht unmöglich“, betont Kremsner. Alle Entwicklungsschritte würden zudem von den zuständigen Behörden begleitet und evaluiert.

Um negative Folgen eines Coronavirus-Impfstoffes auch unter Zeitdruck ausschließen zu können, kontrollieren die Zulassungsbehörden die aktuellen Entwicklungen mit größter Sorgfalt, sagt Barbara Tucek, Leiterin der in Österreich zuständigen Abteilung für Klinische Begutachtung im Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen. „Es werden an Covid-19-Vakzine genau die gleichen wissenschaftlichen und regulatorischen Anforderungen gestellt, wie bei anderen Impfstoffen oder anderen Arzneimitteln auch“, so Tucek.

Größte Sorgfalt auch unter Zeitdruck

Derzeit sei nur die Geschwindigkeit höher, mit der die Prüfung erfolge, sagt Tucek. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten, das Zulassungsverfahren zu beschleunigen: Beim sogenannten Rolling Review werden die Arzneimittelbehörden bereits tätig, während das Entwicklungsprogramm läuft – die Behörden erhalten laufend Ergebnisse, die sie bewerten müssen. Oder aber es kommt zu beschleunigten Zulassungsverfahren. „Das heißt nicht, dass da Augen zugedrückt werden oder irgendetwas nicht begutachtet wird“, sagt Tucek. Man konzentriere Ressourcen, es würden lange Tagschichten gefahren, es arbeiteten viele Gutachter an einem Produkt, um ein Covid-Vakzin möglichst rasch zur Zulassung zu bringen.

Alle Bewertungsberichte bzw. Zwischenberichte der Rolling Reviews der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zu Covid-Impfungen werden auf deren Webseite öffentlich gemacht. Man sei um größtmögliche Transparenz bemüht, so Tucek. Grundsätzliche Bedenken wegen der neuen genbasierten Impfstoffe habe man nicht, aber bei neuen Methoden sei der Aufwand auch für die Behörden größer. Denn noch ist kein solcher genbasierte Impfstoff zugelassen, auch nicht bei anderen Viruserkrankungen. Im Fall von Covid hätten sie allerdings einen entscheidenden Vorteil: Es lassen sich in kurzer Zeit große Mengen des Impfstoffs produzieren. Und die Nachfrage nach Impfdosen wird nach einer Zulassung enorm sein.