27. Juli: Obersulbachkees mit Neuschnee bedeckt
foto-webcam.eu / Bearbeitung Wiesenegger
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Die Flocke auf den heißen Stein

Herbstliche Temperaturen im August, intensiver Regen und auf den Gletschern sogar Schnee – die Gletscherschmelze verzögert das aber nur wenig, berichten die beiden Glaziologen Andrea Fischer und Hans Wiesenegger in einem Gastbeitrag. Die Sommerschneefälle waren zu gering und könnten sich als „Flocke auf den heißen Stein“ entpuppen.

Sommerschneefälle halten die Gletscherschmelze auf, solange sich das dunklere Eis unter der weißen Schneeschicht, die einen Großteil der einfallenden Strahlung reflektiert, vor der Sonne verstecken kann.

Über Autorin und Autor

Andrea Fischer ist stv. Leiterin des ÖAW-Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung in Innsbruck, Hans Wiesenegger langjähriger Leiter des Hydrographischen Dienstes (HD) des Landes Salzburg.

Leider sind die mit einer Kaltfront verbundenen Schneefälle sehr dezent ausgefallen, nur etwa 30 Zentimeter hoch bedeckte Frau Holle das Eis.

Diese Schneeschicht hat sich bei den folgenden hohen Temperaturen von acht bis zehn Grad Celsius auf 3.000 Metern nur drei Tage gehalten, wie die Slideshow-Bilder (siehe unten) vom 25. bis 30. Juli vom Obersulzbachkees zeigen. Zum raschen Abbau der Schneeschicht haben auch Regenfälle beigetragen.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Blick auf das Obersulzbachkees 25. Juli 2023
foto-webcam.eu / Bearbeitung Wiesenegger
Blick auf das Obersulzbachkees 25. Juli 2023
27. Juli: Obersulbachkees mit Neuschnee bedeckt
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27. Juli: Obersulbachkees mit Neuschnee bedeckt
30. Juli: Obersulzbachkees wieder ohne Neuschneedecke
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30. Juli: Obersulzbachkees wieder ohne Neuschneedecke

So hat uns insgesamt der Schneefall vom 26. Juli nur etwa 30 Zentimeter Eisschmelze erspart. Die durch den Klimawandel um einige Tage verlängerte Schmelzsaison wird diesen kleinen Gewinn aber mehr als wettmachen.

Über Autorin und Autor

Andrea Fischer ist stv. Leiterin des ÖAW-Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung in Innsbruck, Hans Wiesenegger Leiter des Hydrographischen Dienstes (HD) des Landes Salzburg.

Neuschneegrenze im Sommer steigt

Langjährige, an der Station Rudolfshütte durchgeführte Beobachtungen zeigen ein kontinuierliches Ansteigen der sommerlichen Neuschneegrenze, und so ist bei der aktuellen Entwicklung der Lufttemperatur auch in Zukunft nicht unbedingt mit häufigen Schneefällen im Sommer zu rechnen.

Ein Vergleich der Schneelage am Jamtalferner (siehe Slideshow unten) zeigt für 2023 ein nur wenig besseres Bild als im Rekordjahr 2022, in dem die Alpengletscher etwa sechs Prozent ihrer Fläche verloren haben.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Jamtalferner am 2. August 2023
ÖAW
Anfang August 2023 präsentiert sich der Jamtalferner in der Silvretta fast so schneefrei …
Jamtalferner am 2. August 2022
ÖAW
… wie im Extremjahr 2022 – normalerweise sollte der Gletscher … wie
Jamtalferner am 2. August 2021
ÖAW
… 2021 stark schneebedeckt sein. Gletscher im Gleichgewicht mit dem Klima sollten am Ende des Sommers zu zwei Drittel ihrer Fläche mit Schnee bedeckt sein.

Hochwasser: Auch weil mehr Regen als Schnee fiel

Was die Hochwasser der letzten Tage in Österreich betrifft: Leider hat es im Unterschied zu den Hochwasserereignissen von 2005 und 2013 diesmal auf den Gletschern nicht geschneit, sondern ein großer Teil der Niederschläge ist in Form von Regen gefallen. Das hat eine zweifache Auswirkung. Zum einen fehlt der Schnee auf den Gletschern. Die damaligen Hochwasserereignisse haben auf den Gletschern 1,5 bis 2,5 Meter Schnee gebracht und ihnen wirklich effektiv Entlastung verschafft. Zum anderen hat sich dadurch auch die Hochwassersituation in den Tälern verschärft.

Das heißt, dass die sehr hohen Temperaturen durch den Klimawandel sich sowohl negativ auf die Gletscher auswirken als auch auf die Hochwassersituation. Die Gletscher haben mittlerweile keine Speicherkapazität mehr. Es liegt dort kein mehrjähriger Schnee mehr, also kein Firn, der Wasser speichern könnte. Die Gletscher wirken mit dem blanken Eis, das dort um diese Jahreszeit jetzt liegt, wie versiegelter Asphalt. Das Wasser fließt sofort ab und kommt sofort in die Fließgewässer – was die Hochwassersituation im zentralalpinen Bereich verschlechtert.

Im südalpinen Bereich, wo jetzt die Hochwasserereignisse stattgefunden haben, gibt es kaum mehr Gletscher. Aber dennoch wäre für diese Regionen vorteilhaft gewesen, wenn in den Hochlagen etwa Niederschlag in Form von Schnee gefallen wäre. Dafür ist es aber jetzt um einige Grad zu warm, trotz dieser hohen Niederschlagsintensitäten.

Weit von „normalem“ Sommer entfernt

Die Schweizer Kollegen vermuten den Sommer 2023 schon als zweitschlechtesten Gletschersommer der gesamten Messreihe (siehe Tweet), wobei in der Schweiz das Niederschlagsdefizit aus dem Winter höher war als in Österreich. Dadurch verlieren die Schweizer Gletscher trotz ihrer größeren Höhe voraussichtlich etwas mehr Eis als die österreichischen, die aus einer fast durchschnittlichen Ausgangsposition den wieder zu warmen Sommer gestartet sind.

Auch wenn es sich also für uns aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Jahren schon ungewohnt anfühlt, dass im August Tage ohne Badewetter auftreten, sieht man am Gletscher deutlich, wie weit wir von einem „normalen Sommer“ entfernt sind. „Normalerweise“, wenn ein Gletscher im Gleichgewicht mit dem Klima wäre, läge am Ende des Sommers, Ende August, der Großteil des Eises unter Schnee – und heiße Badetage wären die Ausnahme, und nicht die Regel.

Wir haben potenziell noch zwei Monate Schmelze vor uns, der Sommer 2023 kann noch viele Überraschungen bringen, aber durchaus auch noch extrem werden für die Gletscher.