Das leere Metro-Kino in Wien mit roten Samtsesseln
APA/HANS KLAUS TECHT
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Chemie

Nikotin auch in rauchfreien Räumen

Nikotin und andere Giftstoffe von Zigaretten können einen Raum belasten, selbst wenn gar niemand raucht. Es reicht schon, wenn ein paar Menschen vom Rauchen zurückkommen, wie eine bisher einzigartige Studie zeigt.

Dafür hat ein Team um den Umweltchemiker Drew Gantner von der Yale University ein sehr lebensnahes Beispiel untersucht: einen Kinosaal mit bester Ventilation und strengem Rauchverbot.

“Third Hand Smoke“

“Wendy", “Resident Evil" und “Irre Helden" waren die drei Filme, die die Besucher und Besucherinnen eines Kinos in Mainz zu Jahresbeginn 2017 sahen – und dabei Teil eines ausgefallenen Experiments wurden. Forscher des dortigen Max-Planck-Instituts für Chemie maßen dabei vier Tage lang die Luftqualität in einem Saal für rund 200 Personen, und die änderte sich mit dem wechselnden Publikum deutlich.

Studie

„Human transport of thirdhand tobacco smoke“, Science Advances, 4.3.2020

Beim nachmittäglichen Kinderfilm „Wendy“ war die Luft am besten. Am Abend, als mehr Erwachsene zu den Actionfilmen strömten, reicherte sie sich aber mit Nikotin und anderen Giftstoffen an. „Third Hand Smoke“ heißt das in der Fachsprache. Gemeint sind damit Überbleibsel von Zigarettenrauch, die an der Oberfläche von Körper oder Kleidung hängenbleiben.

Wer etwa „kurz einmal raus rauchen geht“, bringt bestimmte – potenziell krebserregende – Stoffe bei seiner Rückkehr wieder mit. Einige davon sind nicht nur lange zu riechen, sie können auch mit der Raumluft reagieren und gemeinsam mit anderen Schadstoffen neue chemische Verbindungen bilden.

Gesundheitliche Folgen unklar

Nikotin war mit Abstand jene Substanz, die die Luft der Spätvorstellungen am meisten belastete. Aber auch die Mengen an Benzol, Formaldehyd und 30 anderer Schadstoffe waren abends, als mehr Raucher und Raucherinnen im Publikum saßen, deutlich erhöht. Zum Teil lagen die Substanzen noch am nächsten Tag in der Luft – obwohl der Saal da schon wieder seit Stunden leer war.

Die Menge an Schadstoffen, der man bei einem solchen Kinobesuch ausgesetzt ist, entspricht laut den Forschern ein bis zehn Zigaretten Passivkonsum – also jener Menge, die man inhaliert, wenn gegenüber jemandem ein bis zehn Zigaretten raucht. Wie sich das auf die Gesundheit auswirkt, darüber geben die Forscher keine genaue Auskunft. Sie halten ihr Experiment im Kino aber für sehr wirklichkeitsnahe, denn die Menschen würden in unseren Breitengraden 90 Prozent ihrer Zeit in ähnlich geschlossenen – und eigentlich mit Rauchverbot versehenen – Räumen verbringen.

Welche Lehre Raucher und Raucherinnen aus der Studie ziehen sollten? „Wir sind ihnen erst einmal für jedes Mal, wenn sie zum Rauchen hinausgehen, dankbar“, sagt Studienautor Drew Gantner. „Sie sollten sich aber im Klaren sein, dass die Stoffe ihrer Zigaretten nicht ganz draußen bleiben.“