Statistiken

Corona-Todesfälle: Was man noch nicht weiß

Wie viele Menschen an Grippe erkranken und dadurch sterben, wird seit Jahren dokumentiert. Beim Coronavirus ist noch vieles im Unklaren – die Statistiken sind daher mit Vorsicht zu genießen.

Massenveranstaltungen werden abgesagt, die Unis sperren zu, möglicherweise auch bald die Schulen. Als heute Bundeskanzler, Innen- und Gesundheitsminister Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie bekanntgaben, waren die Handelnden sichtlich um Beruhigung bemüht. Zu Beginn der Pressekonferenz sagte Bundeskanzler Kurz allerdings: „Die Zuwächse bei den Todeszahlen sind enorm, insbesondere in unserem Nachbarland Italien. Die Sterblichkeit ist um ein Zehn- bis Dreißigfaches höher als bei der regulären Grippe.“

Diese beiden Sätze zeigen, wie schwierig es ist, bei einer aktuellen Epidemie konkrete Zahlen zu kommunizieren. Dass sich die Statistiken fatal entwickeln und man letztlich beim Dreißigfachen der Grippetodesraten landet, kann man nicht ausschließen. Bewiesen ist es nicht. Es ist nach heutigem Wissensstand auch nicht wahrscheinlich.

Statistiken regional unterschiedlich

In der Medizin werden die Todesfälle mit der „case fatality rate“ (kurz: CFR) angegeben. Damit ist gemeint, wie viele Infizierte an der Krankheit tatsächlich sterben. Bei der saisonalen Grippe liegt dieser Anteil in der Regel deutlich unter einem Prozent. Was das Coronavirus anlangt, sind die Zahlen regional unterschiedlich. In China liegt die CFR außerhalb von Wuhan bzw. Hubei – der am stärksten betroffenen Stadt bzw. Provinz – derzeit bei 0,7 Prozent (also sieben Verstorbene pro 1.000 Infizierte), in Südkorea bei 0,69 Prozent. Beide Länder sammeln sehr genau Daten über die neue Epidemie, Südkorea ist überdies mit mitteleuropäischen Ländern vergleichbar, da es über ein sehr gut entwickeltes Gesundheitssystem verfügt.

Italien hat bisher 9.172 bestätigte Infektionen und 463 Todesfälle gemeldet (Stand: 10.3., 14.00 Uhr). Das ergibt eine erstaunlich hohe CFR von 5,05 Prozent – Daumen mal Pi das Acht- bis Fünfzigfache der saisonalen Grippe. Doch diese Zahlen sind im Fluss. Erstens ist unklar, wie viele Tests dort durchgeführt wurden. Zweitens ist wahrscheinlich, dass die milden Fälle (vor allem bei den Jüngeren) noch unterrepräsentiert sind, die CFR also überschätzt wurde.

Todesraten überschätzt?

Verläuft die Krankheit sehr mild oder asymptomatisch, gehen die Infizierten in der Regel nicht zum Arzt. Wie viele Infizierte aus diesen oder anderen Gründen übersehen werden, bleibt unklar. Wie hoch die Rate der Todesfälle tatsächlich ist, wird sich wohl erst nach Abklingen der Erkrankungswelle präzise angeben lassen. Nachher ist man bekanntlich immer gescheiter. Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité, geht davon aus, dass die CFR von Corona-Erkranungen unter einem Prozent liegt. „Ich ewarte, dass diese Zahl sinken wird.“

Eine Einordnung bietet zumindest der Vergleich mit der SARS-Epidemie der Saison 2002/2003. Der SARS-Erreger war gefährlicher als das nahe verwandte aktuelle Coronavirus, allerdings erkrankten damals viel weniger Menschen. In Zahlen: Die CFR lag 2002/2003 bei 9,6 Prozent, die Zahl der Infektionen knapp über 8.000.