Ein Mann mit Schutzmaske in einem Supermarkt
APA/dpa/Kay Nietfeld
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Experten wollen strengere Maßnahmen

Die Prognosen der Wissenschaftler, die die Basis für die heutige Entscheidung der Regierung für die weitere Vorgangsweise zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie in Österreich bilden, geben keinen Anlass zur Hoffnung auf Lockerung der Maßnahmen – im Gegenteil.

Wahrscheinlich benötige es „deutlich strengere Maßnahmen, als derzeit (Anm. vor dem 30.3.) in Kraft sind“, heißt es in einem Expertenpapier, das am Montagvormittag bekanntwurde. Die österreichische Bundesregierung hat sich danach u. a. auf diese Experten berufen, um eine Verschärfung der bisherigen Maßnahmen zu begründen.

Zusammenbruch des Gesundheitssystems befürchtet

Die alles entscheidende Größe in der Epidemie ist der Replikationsfaktor (R0). Dieser gibt darüber Auskunft, wie viele Personen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Ist der Replikationsfaktor kleiner als eins, klingt die Epidemie rasch ab, ist er größer als eins, verbreitet sich die Krankheit unweigerlich mit exponentieller Geschwindigkeit.

„Wenn es nicht gelingt, rasch den Faktor R0 unter den Wert von eins zu drücken, sind in Österreich Zehntausende zusätzliche Tote und ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu erwarten“, heißt es in dem von Mathias Beiglböck (Uni Wien), Philipp Grohs (Uni Wien), Joachim Hermisson (Uni Wien, Max Perutz Labs), Magnus Nordborg (ÖAW), Walter Schachermayer (Uni Wien) mit Unterstützung der Rektoren Heinz Engl (Uni Wien) und Markus Müller (MedUni Wien) verfassten Expertenpapier.

Kontrolle im Supermarkt, mehr Test, Masken

Darin regen die Mathematiker und Prognoseexperten folgende Punkte an:

  • Rigorose Umsetzung der bisherigen Maßnahmen: zum Beispiel Kontrolle der Anzahl der Kunden im Supermarkt durch Sicherheitspersonal, rigoroses Abmahnen bei Zuwiderhandlung.
  • Spezieller Fokus auf das medizinische Personal, insbesondere durch regelmäßiges Testen.
  • Maßnahmen zur Eindämmung von Ansteckungen durch asymptomatisch infizierte Personen wie etwa das Personal von Supermärkten. Verstärktes Testen, auch durch bisher nicht validierte Tests aus Forschungslaboren.
  • Stärkerer Einsatz von Gesichtsmasken (sofern die Versorgung sichergestellt ist).
  • Tracking der Kontakte von Infizierten in den Tagen vor dem Test unter Mithilfe von Handydaten.
  • Risikogruppen und insbesondere Erkrankte mit leichten Symptomen sollten besser isoliert werden. Ideal wäre es, einen Versorgungsdienst von Lebensmitteln für die Risikogruppe zu organisieren.
  • Einrichtung von speziellen „fever hospitals“, das heißt Einrichtungen, die speziell für Covid-19-Infizierte reserviert sind.

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China gibt Hoffnung

Unter der realistischen Annahme eines Replikationsfaktors von 1,7 werde das Gesundheitssystem Mitte April zusammenbrechen, betonen die Experten. Um das zu verhindern, bleibe kaum Zeit. Im Fall des Coronavirus SARS-CoV-2 entspricht ein Replikationsfaktor von eins einem täglichen Zuwachs von etwa sieben Prozent – liegt der Zuwachs höher, komme es zu einer exponentiellen Ausbreitung. Die derzeitige tägliche Zuwachsrate der Infizierten in Österreich wird von den Experten auf 14 Prozent geschätzt, am Anfang der Epidemie lag sie bei 30 Prozent.

Hoffnung gibt den Experten zufolge das Beispiel von Wuhan, der chinesischen Stadt, wo die Epidemie ihren Ausgang genommen hat. China habe es dort – in zwei Schritten – geschafft, den Wert von R0 auf 0,32 zu drücken, die Krise sei dadurch innerhalb weniger Wochen bewältigt gewesen.