Spital in Wuhan, China: Ärztin im Schutzanzug führt an einem Patienten einen Rachenabstrich durch.
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Covid-19

Kann man sich mehrmals anstecken?

Nach einem Fall in Japan mehren sich nun auch in China Berichte über Patienten, die sich ein zweites Mal mit dem Coronavirus infiziert haben könnten. Doch Mediziner halten das für unwahrscheinlich – und verweisen auf Schwachstellen in der Diagnostik.

Der Fall einer 40-jährigen Japanerin, die nach ihrer Genesung erneut positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, sorgte bereits im Februar für Schlagzeilen. Ähnliche Beobachtungen haben in jüngster Zeit auch die chinesischen Gesundheitsbehörden gemacht, etwa im Tongji-Klinikum in Wuhan: Laut Wang Wei, dem Leiter des Spitals, wurden bei 147 genesenen Patienten Tests vorgenommen, bei rund drei Prozent fiel dieser erneut positiv aus. Hinweise, dass diese Patienten ansteckend sein könnten, habe man nicht gefunden. Im Fachblatt „JAMA“ erschien schon vor einem Monat ein Bericht über vier Patienten aus dem Zhongnan-Spital in Wuhan, bei denen der Virustest nach Überwindung der Krankheit ein weiteres Mal angeschlagen hatte.

Test weist auch Virusfragmente nach

Neuinfektionen mit dem gleichen Virustyp sind von anderen Coronaviren (etwa solche, die harmlose Erkältungskrankheiten auslösen) bekannt. Im Prinzip wäre es also möglich, dass dies auch für SARS-CoV-2 zutrifft. Fachleute halten das momentan allerdings für wenig plausibel.

Die einfachste Erklärung für diese Befunde lautet: Der genetische Virustest ist äußerst sensibel und kann RNA-Moleküle auch dann vervielfältigen, wenn sie bloß in Spuren vorhanden sind. Daher ist es möglich, dass selbst Virusfragmente zu einem positiven Ergebnis führen. Das haben Forscher beispielsweise bei Masern beobachtet, wo sich der Erreger bisweilen noch Monate nach der Krankheit im Körper von Patienten nachweisen lässt.

„Ich sage nicht, dass eine Neuinfektion (mit SARS-CoV-2, Anm.) unmöglich ist oder niemals passieren könnte“, sagte der Virologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai kürzlich gegenüber der „New York Times“. „Aber in so kurzer Zeit halte ich das für sehr unwahrscheinlich.“

Patienten vermutlich nicht genesen

Möglich wäre freilich auch, dass bei den Virustests oder bei der Entnahme der Proben Fehler passiert sind. Und nicht zuletzt stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wann Patienten als geheilt angesehen werden können. Der Mediziner Clemens Wendtner vom Klinikum Schwabing geht laut einem Bericht der „Zeit“ etwa davon aus, dass die Patientin aus Japan zu früh – nämlich bereits am fünften Tag nach Symptombeginn – entlassen wurde. Und sich folglich nicht neu angesteckt hat, sondern immer noch krank war.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von SARS-CoV-2
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Für diese Interpretation sprechen auch bisher veröffentlichte Studien aus dem experimentellen Fach. Wissenschaftler aus China hatten in einem Laborversuch Makkaken mit SARS-CoV-2 infiziert und ihnen nach erfolgter Immunisierung erneut eine hohe Virusdosis verabreicht. Ergebnis: Eine neuerliche Infektion trat nicht auf.

Fehlerhafte Immunantwort?

Gleichwohl sind Berichte über mögliche Neuinfektionen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Sollten sich diese Einzelfälle zu einem epidemiologischen Muster verdichten, wäre im schlimmsten Fall das langfristige Ziel der Herdenimmunität in Gefahr. Zumindest könnten derartige Befunde darauf hindeuten, dass der menschliche Körper Schwierigkeiten hat, gegenüber SARS-CoV-2 ein dauerhaftes Immungedächtnis anzulegen, schreibt etwa Bruce Y. Lee von der School of Public Health der City University of New York in einem Beitrag für die Zeitschrift „Forbes“. Untersuchungen an Covid-19-Patienten haben bislang keine Belege für systematische Lücken in der Immunantwort gefunden.

Um zu entscheiden, ob es sich hier um ein Problem handelt oder nicht, sei es ohnehin noch zu früh, betont der Virologe Stanley Perlman. „Es kommt darauf an, ob Neuinfektionen nach sieben Monaten oder nach einem Jahr auftreten. Das ist die Frage, die uns beschäftigen sollte.“ Der Forscher von der University of Iowa verweist in diesem Zusammenhang auf Erfahrungen, die man mit verwandten Erregern wie SARS und MERS gemacht hat. Bei SARS seien keine bestätigten Neuinfektionen aufgetreten, bei MERS gab es ihm zufolge einen Fall.