Ein Mann mit einem Kind auf dem Arm und einem an der Hand wirft einen Schatten auf eine mit bunten Handabdrücken bemalte Wand.
APA/dpa/Peter Kneffel
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Covid-19

Kinder erkranken weniger schwer

358 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren wurden bisher positiv auf das neuartige Corona-Virus getestet. Das sind 2,7 Prozent aller untersuchten Personen – ein scheinbar sehr geringer Anteil. Tatsächlich erkranken Kinder weniger schwer – zu den Gründen gibt es einige Hypothesen.

Bei den Aussagen zur Betroffenheit von Kindern durch Covid-19 bewege man sich auf unsicherem Terrain, betont Susanne Greber-Platzer, Leiterin der Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde an der Medizin-Universität Wien. Es seien zwar schon erste Beobachtungen und Analysen vor allem aus China publiziert worden, oft handle es sich dabei aber um kleine Gruppen und Stichproben, so dass die Aussagekraft noch mit Vorsicht betrachtet werden müsse.

Eines sei aber relativ gut abgesichert: Dass Kinder sich seltener mit Sars-Coronavirus-2 infizieren als Erwachsene, das stimme nicht. Untersuchungen in Familien mit infizierten Erwachsenen haben gezeigt: „Die Kinder sind trotzdem positiv und tragen das Virus in sich. Oft erkennt man das aufgrund der milden oder überhaupt fehlenden Symptome aber nicht“, so Susanne Greber-Platzer.

Auf einem Schild steht „und Tschüss !“, dahinter sieht man einige Kinder.
APA/dpa/Arne Dedert

Die Krankheit Covid-19 breitet sich im kindlichen Körper anders aus als bei Erwachsenen. Oft bleibt sie in den oberen Atemwegen stecken, die Kinder bekommen schnupfenähnliche Symptome wie Halsweh, erhöhte Temperatur, kitzelnde Nase und feuchten Husten, manchen ist übel. Die Erkrankung verläuft also durchaus anders als bei Erwachsenen, wo vor allem Fieber und trockener Husten als Hauptmerkmale gelten. Lungenentzündung oder Atemnot treten nur sehr selten auf, wenn Kinder etwa wegen einer chronischen Erkrankung oder Krebs Immunsuppressiva nehmen und ihre Krankheitsabwehr dadurch stark reduziert ist. Viele Kinder zeigen die Infektion gar nicht, zählen also zu den asymptomatischen Patienten.

Auch ein Expertenteam der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) hat vor wenigen Tagen in einer Literaturübersicht geschrieben: „Eine Auswertung der ersten knapp 45.000 Labor-bestätigten Covid-19-Fälle in China zeigt, dass Kinder unter zehn Jahren nur 0,9 Prozent (416 Kinder) und Kinder zwischen zehn und 19 Jahren nur 1,2 Prozent (549 Kinder) der Fälle ausgemacht haben.“

Führen keine oder kaum schwere Symptome dazu, dass Kinder weniger getestet werden und damit weniger in den Statistiken aufscheinen? „Ja“, sagt die Expertin, „man testet, wenn eindeutige Symptome vorliegen oder ein Kontakt mit einer infizierten Person stattgefunden hat. Kinder werden entsprechend weniger getestet.“

Virus kann bei Kindern schlechter andocken

Aber warum reagieren Kinder anders auf das Virus als Erwachsene? Verlässliche Studien gibt es dazu noch nicht, aber Hypothesen, so Susanne Greber-Platzer: „Anscheinend kann das Virus, das Eiweiße an der Oberfläche hat, bei Erwachsenen leichter in Zellen eindringen, weil dort bestimmte Andockstellen ausgeprägter vorhanden sind.“ Diese Andockstellen sind die ACE-2-Rezeptoren, von denen es besonders viele in Herz und Lunge gibt. Sie sind bei Erwachsenen gut ausgebildet, bei Kindern hingegen noch unausgereift, das Virus kann deshalb schlechter in die Zellen eindringen, so die Vermutung.

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichtet auch das Morgenjournal am 10.4.2020.

Eine weitere Hypothese: Das kindliche Immunsystem reagiert schneller auf Krankheitserreger und kann sie vernichten, bevor zu viele Zellen befallen werden. Bei Erwachsenen dauert diese Reaktion länger, denn: Je älter ein Mensch wird, desto schlechter wird seine Immunantwort. Der Krankheitserreger hat dann mehr Zeit, sich im Körper zu verbreiten.

Andere werden trotzdem angesteckt

Auch wenn Kinder keine oder nur sehr milde, schnupfenähnliche Symptome zeigen, andere Menschen anstecken können sie trotzdem, sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der Medizin-Universität Wien: „Kinder fungieren als Multiplikatoren, sie verbreiten das Virus weiter, indem sie sich gegenseitig sehr rasch anstecken.“ Die kranken Kinder stecken dann zuhause die Erwachsenen an, die wiederum den Erreger an den Arbeitsplatz, an öffentliche Orte bringen. Wie sehr Schulen und Kindergärten eine Epidemie befeuern, sieht man in jedes Jahr Österreich, wenn die jährliche Grippewelle nach den Weihnachtsferien so richtig Fahrt aufnimmt.

Wirtschaft und Schulen gleichzeitig wieder aufsperren, das wäre in Punkto Infektionszahlen zu gefährlich. In Österreich hat man sich deshalb entschieden, zuerst Maßnahmen für die Wirtschaft zu lockern. Dänemark setzt eine andere Priorität: Dort werden nach Ostern die Kindergärten und Volksschulen wieder geöffnet. Damit will die dänische Regierung Eltern entlasten, die sich neben Homeoffice um ihre jüngeren Kinder kümmern müssen.