Selbstfahrendes Auto von innen
APA/HERBERT PFARRHOFER
APA/HERBERT PFARRHOFER
Verkehr

Selbstfahrende Autos nur als Ergänzung sinnvoll

In automatisierte Fahrzeuge werden hohe Erwartungen gesetzt: Sie sollen den Verkehr sicherer, effizienter und umweltfreundlicher machen. Reduzieren werden sie in nur, wenn sie als Erweiterung des öffentlichen Verkehrs eingesetzt werden, zeigt eine Studie.

Gefördert von der Daimler und Benz Stiftung hat sich ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam der Technischen Universität (TU) Wien in dem Forschungsprojekt AVENUE21 mit dem automatisierten und vernetzten Verkehr und seinen Auswirkungen auf die Entwicklung europäischer Städte auseinandergesetzt. Die Ergebnisse wurden nun als frei zugängliches Buch im Springer Verlag veröffentlicht.

Auch wenn gegenüber der ersten Euphorie die technische Machbarkeit heute nüchterner bewertet werde, „könnte der Wandel des Mobilitätssystems ähnlich gravierende räumliche und soziale Folgen haben wie jener des Automobils vor rund 100 Jahren“, betonen die Autoren der Studie. Diese sei die erste, „die umfangreich Wirkungen und Potenziale von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen untersucht und dabei die Straße nicht allein als Verkehrsraum, sondern auch als Lebensraum betrachtet. Deswegen kommen wir auch vielfach zu anderen Ergebnissen als Studien, die die Straße allein auf ihre Transportfunktion reduziert haben“, so Mitherausgeber Rudolf Scheuvens, Dekan der TU-Fakultät Architektur und Raumplanung.

Mehr Verkehr

Dass durch automatisierte Fahrzeuge Verkehr vermieden werden kann und dadurch Straßenraum zurückgebaut und für neue urbane Nutzung verfügbar gemacht werden kann, erwarten die Wissenschaftler nicht – im Gegenteil: „Der Verkehr wird aufgrund von Leerfahrten, der Erweiterung des Kreises der Nutzenden und aus Gründen der Bequemlichkeit zunehmen“, schreiben sie. Erst eine weiter steigende Nachfrage nach Car- und Ride-Sharing werde die Zahl der zugelassenen Pkws verringern und damit potenziell die Möglichkeit für den Rückbau von Parkraum schaffen. Eine Verkehrsvermeidung lasse sich vor allem durch entsprechende Verlagerungen des motorisierten Individual- hin zum öffentlichen Verkehr erreichen.

Die Wissenschaftler erwarten bei Straßen in Städten Nutzungskonflikte, einerseits zwischen Bewohnbarkeit, also etwa Straßen als Lebens- und Aufenthaltsraum, und andererseits der Optimierung der Straßen für den automatisierten und vernetzten Verkehr – ein bisher in Studien wenig beachteter Widerspruch. Aus diesem Grund könne auch kein Datum für den bevorstehenden Wandel genannt werden. „Wahrscheinlicher ist ein sich schrittweise vollziehender Prozess über mehrere Jahrzehnte, währenddessen nur Teile des Straßennetzes automatisiert befahren werden können und so herkömmliche Verkehrsmittel weiter eine wesentliche, aber spezialisiertere Rolle spielen dürften“, heißt es in der Studie.

Steuernde Maßnahmen nötig

Die Studienautoren sind überzeugt, dass sich automatisierte und vernetzte Fahrzeuge „für lange Zeit nur in Teilräumen der Stadt durchsetzen werden“. Autobahnen, Industrie- oder Gewerbestraßen könnten relativ schnell automatisiert befahren werden, während Straßen „mit hoher Aufenthaltsqualität“, die sich etwa durch angrenzende Parks, Schulen oder Gastgärten auszeichnen, „langfristig nicht automatisiert befahren werden können“. Automatisierte Services würden deswegen sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr nur für ausgewählte Personen und Betriebe zur Verfügung stehen.

Diese unterschiedliche Eignung des Straßennetzes dürfte einen starken Einfluss auf das Standortwahlverhalten von Personen und Betrieben haben, weshalb die Wissenschaftler in dieser Phase eine hohe Dynamik in der Flächennutzung erwarten. So sei ohne steuernde Maßnahmen eine fortschreitende Zersiedelung zu erwarten, weil durch neue Mobilitätsservices die Erreichbarkeit verbessert und dadurch Flächenreserven aktiviert werden.