Künstlerische Darstellung von kämpfenden Eiszeitmenschen
CLARYS Schöningen20
CLARYS Schöningen20
Holzwaffen

Eiszeitmenschen waren geschickte Jäger

Eiszeitmenschen waren wohl geschickte Jäger. Bei ihren Beutezügen griffen sie laut Forschern auf ein umfangreiches Arsenal von Holzwaffen zurück. Neben Speeren und Lanzen nutzten sie demnach Wurfstöcke, vor allem um Wasservögel zu erlegen oder Pferde vor sich herzutreiben.

Im Mittelpunkt der im Fachjournal "Nature Ecology & Evolution“ erschienenen Studie steht ein rund 300.000 Jahre alter, geschnitzter Stock aus der Altsteinzeit, der vor vier Jahren bei Ausgrabungen im Braunkohletagebau Schöningen (Niedersachsen) gefunden wurde. Neben den sogenannten Schöninger Speeren aus Fichten- und Kiefernholz sowie einer Stoßlanze gehört dieses Wurfholz zu den ältesten bekannten vollständig erhaltenen Jagdwaffen der Welt.

Sperrfund aus Schönigen
Universität Tübingen
Fund aus Schöningen

Es wird dem Homo heidelbergensis zugerechnet. Die Trennlinie zwischen zum frühen Neandertaler ist allerdings fließend, so dass Forscher oft einfach von Waffen des Neandertalers sprechen. Nach Ansicht von Nicholas Conard vom Senckenberg-Zentrum für menschliche Evolution und Paläoumwelt der Universität Tübingen haben die Jäger die Waffen kombiniert eingesetzt. „Jetzt erst haben wir eindeutige Belege dafür“, sagt er.

Von der Hand in den Mund

Der Wurfstock aus dem Jahr 2016 stammt aus einer Fundschicht, aus der in den 1990er Jahren immer wieder sehr gut erhaltene Wurfspeere und eine Stoßlanze ausgegraben wurden. Das Stück aus Fichtenholz ist 64,5 Zentimeter lang, es hat in der Mitte einen Durchmesser von 2,9 Zentimetern und wiegt 264 Gramm. Eine Seite ist leicht gebogen, die andere relativ flach. „Die Einschlagspuren im mittleren Bereich können wir mit australischen und tasmanischen Wurfhölzern vergleichen. Das verrät uns erstmals auch, wozu das Gerät genutzt worden ist“, sagt Conard.

Anders als ein Bumerang kehrten die Wurfstöcke aber nicht zum Werfer zurück, sondern bewegten sich in gerader Richtung, erklärt Grabungsleiter Jordi Serangeli. „Sie sind effektive Waffen über verschiedene Entfernungen, unter anderem bei der Jagd auf Wasservögel.“ Das belegten auch Knochen von Schwänen und Enten aus derselben Fundschicht.

Grabungsstätte in Schöningen
Universität Tübingen
Grabungsstätte in Schöningen

Nach Einschätzung Conards könnten mit solchen Stöcken zudem größere Säugetiere wie Pferde aufgeschreckt und in eine bestimmte Richtung getrieben worden sein. Die Funde und die Analyse verändern nach seiner Ansicht das Bild des Eiszeitmenschen. Viele Forscher gingen bisher davon aus, dass der Homo heidelbergensis meist von der Hand in den Mund lebte. „Aber sie waren stets Herr der Lage, sie haben eigentlich immer genau gewusst, was sie machen“, ist Conard überzeugt. Mit komplexen Waffen wie Speeren und Stöcken seien sie sehr wahrscheinlich „an der Spitze der Nahrungskette gewesen“.

Große Distanzen

Wurfstöcke sind keine unbekannten Jagdwaffen. Sogenannte Rabbit Sticks oder Killing Sticks wurden auch in Nordamerika, Afrika und Australien genutzt. Die Waffen erreichten Entfernungen zwischen fünf und mehr als 100 Metern, wie Gerlinde Bigga von der Universität Tübingen erklärt. Sie hat die Anatomie des Holzwerkzeugs analysiert.

Zuletzt hatten die bisher neun gefundenen Speere aus Schöningen für Aufsehen gesorgt. Forscher hatten damals herausgefunden, dass wohl schon der Neandertaler in der Lage gewesen ist, Beute auf große Distanz zu erlegen. Bei Versuchen mit exakten Repliken der Speere kamen Experten des University College London zu dem Ergebnis, dass trainierte Sportler mit den Waffen Ziele bis auf eine Entfernung von 20 Metern treffen – und das mit einer Wucht, die ein Beutetier getötet hätte.

Zuvor war man vielfach davon ausgegangen, dass der Neandertaler (Homo neanderthalensis), ein ausgestorbener Verwandter des modernen Menschen, seine Waffen nur in einem begrenzten Radius einsetzen konnte: indem er etwa seiner Beute einen tödlichen Stoß versetzte oder seinen Speer auf kurze Distanz warf.