Künstlerische Rekonstruktion: Zwei Raubechsen kämpfen um Beute
Brian Engh
Brian Engh
Paläontologie

Warum Dinos zu Kannibalen wurden

Allosaurus war vor rund 150 Millionen Jahren ein gefürchteter Jäger. Doch wenn die Nahrung knapp wurde, fraß die riesige Raubechse auch Aas – und machte manchmal sogar Jagd auf Artgenossen.

Aus fossilen Überresten die Ernährungsweise von Dinosauriern zu rekonstruieren, gleicht einer detektivischen Spurensuche. Bei Pflanzenfressern behelfen sich Wissenschaftler oft mit dem chemischen Fingerabdruck von Isotopen, bei Fleischfressern wäre es im Prinzip unkomplizierter. Dann nämlich, wenn sich auf den versteinerten Knochen Bissspuren finden. Doch solche Spuren sind rar – was darauf hinweist, dass die meisten Raubechsen aus dem Jura nur die besten Stücke ihrer Beute fraßen und das Abnagen von Knochen nicht so ihre Sache war.

Bissspuren auf Fossilien
Stephanie K. Drumheller et al./Plos ONE
Kerben, Rillen und Furchen auf fossilen Knochen

Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet in dieser Hinsicht das Fundmaterial im Mygatt-Moore-Steinbruch in Colorado. Dort hat die Paläontologin Stephanie Drumheller knapp 2.400 Knochen unter die Lupe genommen und bei 29 Prozent Bissspuren von 150 Millionen Jahre alten Raubechsen aus der Gruppe der Theropoden entdeckt.

„Beim Fressen nicht wählerisch“

Zu welchen Dinosauriern die Spuren gehören, lässt sich anhand der Einkerbungen und Zahnabstände rekonstruieren: Die dominanten Räuber dieser Zeit waren der fünf bis acht Meter lange Ceratosaurus sowie der mit zwölf Metern Körperlänge noch deutlich mächtigere Allosaurus.

Wie Drumheller im Fachblatt „Plos ONE“ schreibt, stammen die meisten der mit Kerben, Rillen und Furchen versehenen Knochen von Pflanzenfressern, also von den typischen Beutetieren eines Ceratosuarus und Allosaurus. Überraschend war für die Forscherin von der University of Tennessee indes, dass 17 Prozent der angebissenen Knochen zu Theropoden gehören, was nur einen Schluss zulässt: Hier haben Raubtiere ihresgleichen gefressen. „Große Theropoden wie der Allosaurus waren nicht besonders wählerisch, was ihre Beute betrifft. Besonders dann, wenn die Ressourcen in der Umwelt knapp wurden.“ In mageren Zeiten, so Drumheller, mutierten die Räuber offenbar auch zu Aasfressern und Kannibalen. "Das war definitiv verbreitet.“

Unter den angenagten Knochen aus dem Mygatt-Moore-Steinbruch haben die Wissenschaftler auch einen gefunden, dessen Bissspuren bisher keiner bekannten Art zugeordnet werden konnte. Sicher ist bloß: Die Kerben weisen auf riesige Zähne hin – auf eine Raubechse, die noch bedeutend größer gewesen sein muss als der zwölf Meter lange Allosaurus.