Männlicher Breitschwanzkolibri
Noah Whiteman, Rocky Mountain Biological Laboratory
Noah Whiteman, Rocky Mountain Biological Laboratory
Farbsehen

Kolibris leben in einer bunteren Welt

Manche Tiere sehen auch für Menschen nicht sichtbare Bereiche des Lichts, etwa Kolibris. Experimente lassen nun erahnen, wie farbenprächtig die Welt für die selbst meist sehr bunten Vögel aussehen muss.

Rot, Grün und Blau – sehr vereinfacht ausgedrückt kann der Mensch nur diese drei Farben sehen. Denn nur für diese drei besitzt das menschliche Auge spezielle Rezeptoren, sogenannte Zapfen. Nur durch Mischen entstehen alle anderen Töne – theoretisch unendlich viele. Verglichen mit der Welt einiger Tiere ist unsere vermutlich dennoch recht eintönig. Viele Fische, Reptilien und Vögel können nämlich ein breiteres Farbspektrum wahrnehmen, sie sehen auch UV-Licht. Mit vier Grundfarben wachsen die Möglichkeiten, auch für ungewöhnlichere Kombinationen, wie die Forscherinnen und Forscher um Mary Caswell Stoddard von der Princeton University in ihrer soeben in den „PNAS“ erschienenen Studie ausführen.

Quer durch das Spektrum

Die meisten für Menschen sichtbaren Mischfarben entstehen aus einander naheliegenden Bereichen des Spektrums, z.B. Gelb – eine Mischung aus Grün und Rot; mit einer Ausnahme: Purpur vereint zwei Farben vom jeweiligen Ende des sichtbaren Spektrums. Technisch gesehen befinde sich der Ton daher außerhalb des Regenbogens, so das Team in einer Aussendung. Angeregt werden dabei Zapfen für kürzere (Blau) und längere (Rot) Wellenlängen, aber nicht jene für mittlere (Grün).

Für Vögel und andere Tiere ergeben sich noch vier weitere Möglichkeiten für spektral weiter entfernte Farbmischungen: Ultraviolett mit Rot, Grün, Gelb und Purpur. Ob sie diese auch sehen bzw. von anderen Mischungen unterscheiden können, haben Stoddard und ihre Kollegen nun an wildlebenden Breitschwanzkolibris überprüft. Die winzigen und flinken Vögel seien besonders geeignet für derartige Feldexperimente. „Die Zuckerfanatiker orientieren sich bei der Suche nach Nektar an den Farben von Blüten. Sie lernen dabei sehr schnell“, erklärt Stoddard.

Kleinste Nuancen

Drei Jahre lang wurden die Tiere auf einer alpinen Wiese in Colorado beobachtet. Frühmorgens stellten die Forscherinnen und Forscher Futterhäuschen auf, die entweder zuckerhaltiges oder klares Wasser enthielten. Mit Hilfe spezieller Leuchtdioden wurden diese unterschiedlich farblich markiert. Bis zu elf Stunden lang wurden die Aktivitäten der jeweiligen Kolibri-Population (ca. 200 Individuen) aufgezeichnet, das waren mitunter bis zu 700 Futteranflüge pro Tag. Insgesamt waren es 19 Experimente und etwa 6.000 Besuche. Die Positionen der Futterstellen wurden häufig geändert und andere Hinweise wie Gerüche maskiert, um Fehlbefunde möglichst auszuschließen.

Männlcher Breitschwanzkolibri
David Inouye, University of Maryland-College Park

Tatsächlich lernten die Tiere anhand der Farben recht schnell, wo sich eine zuckersüße Belohnung findet. Wie die Autoren schreiben, reagierten die Kolibris dabei auch auf so ungewöhnliche Farbmischungen wie Ultraviolett mit Rot oder Purpur. Sie konnten tatsächlich zwischen vermeintlich recht ähnlichen Tönen unterscheiden, z.B. zwischen einer Ultraviolett-Grün-Mischung und Ultraviolett bzw. reinem Grün, sogar zwischen zwei Mischungen derselben zwei Töne mit unterschiedlichen großen Anteilen – wie Ultraviolett mit mehr oder weniger Rot – lernten sie den Unterschied.

Für die Forscherinnen und Forscher wirkten viele Farbkombis dabei völlig identisch. „Die Kolibris lassen erkennen, dass sie Dinge sehen, die wir nie sehen werden“, so Stoddard. Was genau, bleibe indes unklar: einfach eine Mischung zwischen den zwei Farben oder einen außergewöhnlichen und völlig neuartigen Farbton? Für die Vögel sei das Aussehen vermutlich ohnehin nebensächlich. Wie schillernd sie auch sein mögen, letztlich liefern Farben vor allem nützliche Informationen über Futter, potenzielle Partner und Räuber.