Jemand drückt einen Tropfen Blut in einen Plastikbehälter
AFP – JUSTIN TALLIS
AFP – JUSTIN TALLIS
Coronavirus

Blutgruppe beeinflusst Schwere von Covid-19-Verlauf

Während eine Covid-19-Erkrankung bei manchen Menschen zu Atemversagen bis hin zum Tod führt, spüren andere kaum Symptome. Die Ursachen für die sehr unterschiedlichen Verläufe sind noch weitgehend unklar, doch ein wichtiger Faktor könnte laut einer neuen Studie die Blutgruppe sein.

Demnach haben Menschen mit der in Österreich häufigsten Blutgruppe A ein um knapp 50 Prozent höheres Risiko für einen schweren Infektionsverlauf als solche mit anderen Blutgruppen. Menschen mit Blutgruppe 0 haben eine um etwa 50 Prozent geringere Gefahr für eine ernste Covid-19-Erkrankung, wie ein internationales Forscherteam im „New England Journal of Medicine“ berichtet.

Untersuchung des Erbguts

Das Team um den Molekularbiologen Andre Franke von der Universitätsklinik Kiel hatte seine Ergebnisse bereits zuvor als sogenanntes Preprint veröffentlicht – also ohne Begutachtung durch unabhängige Wissenschaftler. Nun ist die Studie in einem äußerst renommierten Fachjournal erschienen.

Die Forscherinnen und Forscher hatten Blutproben von 1.610 an Covid-19 erkrankten Intensivpatienten aus sieben Kliniken in Italien und Spanien analysiert. Alle Patienten wurden mit Sauerstoff behandelt oder waren an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Zusätzlich untersuchten die Wissenschaftler Blutproben von 2.205 zufällig ausgewählten Männern und Frauen aus denselben Ländern als Kontrollgruppe. Dabei analysierten sie das Erbgut der Menschen.

„Mithilfe dieser großen Datenmenge haben wir wirklich interessante Regionen im Genom identifiziert, die das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 erhöhen beziehungsweise verringern“, wird Erstautor David Ellinghaus aus Kiel in einer Mitteilung der Uniklinik zitiert.

Blutgruppe A hat besonderes Risiko für Atemprobleme

Die Forscherinnen und Forscher identifizierten eine Genvariante, die mit einem schweren Covid-19-Verlauf einherging, auf Chromosom 9. Hier befindet sich das AB0-Gen, von dem die Blutgruppe eines Menschen abhängt. Patienten mit der Blutgruppe A hatten ein besonders hohes Risiko für Atemprobleme im Zuge einer Covid-19-Infektion, solche mit der in Österreich ebenfalls gängigen Blutgruppe 0 waren dagegen besser geschützt. In Österreich haben laut Gesundheitsministerium 41 Prozent der Menschen Blutgruppe A, 15 Prozent Blutgruppe B, sieben Prozent Blutgruppe AB und 37 Prozent Blutgruppe 0.

Mit welchen absoluten Risiken die diversen Blutgruppen für eine schwere Covid-19-Erkrankung durchschnittlich verbunden sind, ermittelte die Studie nicht. Die Resultate passen zu den Ergebnissen zweier anderer Preprint-Studien aus China und den USA, die das Blut von Covid-19-Patienten untersucht hatten (hier und hier). „Diese beiden Gruppen haben Menschen serologisch untersucht, wir kamen von der genetischen Seite“, erläutert Franke. „Das bringt zusätzliche Evidenz.“

Ursachen: Blutgerinnung und Entzündungen

Die Ergebnisse der Studie fügen sich jedenfalls recht gut in das Bild, das frühere Untersuchungen ergeben haben. Dass etwa das Blut von Personen mit Blutgruppe 0 langsamer gerinnt, sei schon lange bekannt, sagt Franke gegenüber science.ORF.at. „Das könnte erklären, warum Menschen mit anderen Blutgruppen ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben, denn viele der CoV-Patienten versterben an Gerinnseln. Wenn das Blut schnell verklumpt, bedeutet das erhöhte Thrombosegefahr.“

Außerdem wisse man, dass Menschen mit Blutgruppe 0 Viren von Überträgern mit Blutgruppen A und B besser erkennen können, da sie Antikörper gegen diese Blutgruppen im Körper tragen. „Menschen mit Blutgruppe 0 sind aus diesem Grund besser geschützt, sie können allerdings eher zu Superspreadern werden, weil die Viren aus ihrem Körper von Menschen mit anderen Blutgruppen nicht so gut erkannt werden.“

Ein weiterer Erklärungsansatz für den Zusammenhang zwischen Blutgruppe und Krankheitsverlauf seien Entzündungsfaktoren. Die würden nämlich ebenfalls durch das AB0-System beeinflusst, sagt Franke. „Das könnte wiederum erklären, warum es bei manchen Patienten zum sogenannten Cytokinsturm kommt, also zu einem Überschießen des Immunsystems.“

Verbessert Risikoabschätzung

Neben Chromosom 9 lokalisierten die Molekularbiologen eine noch höhere Effektstärke für eine genetische Variante auf Chromosom 3. Welche Gene darauf dafür verantwortlich sind, wissen die Wissenschaftler nicht. Träger dieser Variante hatten im Vergleich zu anderen Personen ein verdoppeltes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung. Auffällig viele dieser schwer Erkrankten hatten Blutgruppe A.

„Die Ergebnisse waren für uns sehr spannend und überraschend“, sagt Franke. Gerade die Region auf Chromosom 3 sei zuvor noch nicht mit Covid-19 in Zusammenhang gebracht worden. „Mit dem Chromosom 3 und dem AB0-Blutgruppen-Lokus beschreiben wir echte Ursachen für einen schweren Verlauf von Covid-19“, betont er. „Unsere Ergebnisse schaffen daher eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung von Wirkstoffen, die an den gefundenen Kandidatengenen ansetzen können.“ Zudem könnten die Resultate die Risikoabschätzung für einen Covid-19-Verlauf verbessern.