Coronaviren unter dem Mikroskop
Mutationen

„Kein Hinweis auf erhöhte Gefährlichkeit“

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie haben Forscherinnen und Forscher über hundert Mutationen im Viruserbgut festgestellt. Dass der Erreger dadurch gefährlicher wird, halten Experten für unwahrscheinlich. Doch Schutzmasken könnten die Evolution des Virus in eine andere Richtung lenken.

Nach der jüngsten Covid-19-Erkrankungswelle in Peking sorgte eine Stellungnahme des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und –prävention für Aufsehen. Das Virus, hieß es da, stamme vermutlich aus Europa, zumindest dürfte es aus dem Ausland nach China eingeschleppt worden sein. Das bestätigt auch Richard Neher: Die Gensequenz dieser Virusvariante deutet „auf einen Eintrag aus dem Ausland hin“, sagt der Biophysiker von der Universität Basel. “Ob es sich um Europa handelt oder um eine andere Region, können wir aber nicht sagen.“

Mutation im Spike-Protein

Dass Viren aus einem Land in das andere verfrachtet werden und dort zu neuen Ausbrüchen führen, ist an sich noch nicht allzu bemerkenswert, wäre da nicht die Befürchtung, dass dies auch auf eine erhöhte Gefährlichkeit des Virus hindeuten könnte. Laut einer (bisher noch nicht von der Fachgemeinschaft begutachteten) Studie des US-amerikanischen Forschungsinstituts Scripps Research lässt sich im Viruserbgut etwa eine Mutation nachweisen, die das sogenannte Spike-Protein des Erregers betrifft – jenen Schlüssel also, mit dem das Coronavirus in Wirtszellen eindringt.

Die US-Forscher schließen in ihrer Studie, dass dies zu einer erhöhten Stabilität des Proteins führt – und in weiterer Folge vielleicht auch zu einer höheren Infektiosität. Doch das sehen nicht alle Fachleute so. Der Virologe Friedemann Weber von der Uni Gießen hält SARS-CoV-2 bereits für nahezu optimal an seinen Wirten angepasst. Dass die Gefährlichkeit weiter zunehmen werde, sei unwahrscheinlich. „Ich sehe da wenig Luft nach oben.“

Ähnlich sieht das Richard Neher. „Ich rechne mit keinen Mutationen, die zu einer erhöhten Übertragbarkeit oder Virulenz führen.“ Entwarnung gibt der Spezialist für Virenstammbäume auch in Bezug auf folgende Beobachtung: In den USA und in Europa wurde festgestellt, dass jüngere Erkrankungswellen von ganz spezifischen Virusvarianten ausgelöst wurden. Doch das, so Neher, sei dem Zufall geschuldet. Beziehungsweise dem sogenannten Gründereffekt: Wenn eine Infektionskette zu einem explosiven Anstieg von Erkrankungen führe, liege es in der Natur der Sache, dass die am Ursprung stehenden Varianten dann auch in der Viruspopulation dominieren. „Auf eine erhöhte Gefährlichkeit dieser Viren können wir daraus nicht schließen.“

Mildere Infektionen?

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie haben Forscher mehr als hundert Mutationen im Viruserbgut festgestellt und es kommen im Schnitt zwei weitere pro Woche hinzu. Die Evolution des Virus wird also weitergehen – nur: in welche Richtung? Friedemann Weber hält es für möglich, dass etwa das Tragen von Schutzmasken die Entwicklung hin zu milderen Infektionen treibt.

„Wenn es durch die Masken länger dauert, bis ein Mensch einen anderen ansteckt, dann sind jene Viren im Vorteil, die ihre Wirte länger gesund lassen. Beziehungsweise Viren, die eher im Halsbereich verbleiben.“ Möglich sei freilich auch, dass sich die Infektionskette von der Tröpfchen- zur Schmierinfektion verschiebt. Dagegen gäbe es allerdings ein einfaches Gegenmittel: Händewaschen.