Eruptionen auf der Sonne
AFP/NASA/SDO
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Astrophysik

Wissen, wann die Sonne stürmt

Die Sonne speit in unregelmäßigen Abständen große Mengen hochenergetischer Teilchen aus. Die Folgen solcher Ausbrüche und Stürme können selbst auf der Erde gravierend sein. Ein neues Modell verspricht nun eine zuverlässigere Vorhersage – und damit mehr Sicherheit.

Unsere Sonne ist ständig aktiv: Sie sendet Strahlung und geladene Teilchen in den Weltraum, den sogenannten Sonnenwind. Nimmt die Aktivität der Sonne zu und der Wind wird für kurze Zeit in einem begrenzten Gebiet wesentlich stärker, spricht man von einer Sonneneruption – die Folge kann ein Sonnensturm sein. Die geladenen Teilchen, die dann durch das Weltall bis zur Erde gelangen, können für die technisierte Welt gefährlich werden.

Gefahr für Technik in All und auf Erde

Die hochenergetischen Teilchen stören Satelliten, gefährden Astronautinnen und Astronauten im All und können auf der Erde Stromnetze lahmlegen. Die Wissenschaft arbeitet schon lange daran, solche Ausbrüche möglichst genau vorherzusagen. Ein Modell, das der Astrophysiker Kanya Kusano gemeinsam mit seinem Team an der Universität Nagoya entwickelte, könnte die Prognose nun präzisieren. Die Ergebnisse wurden soeben im Fachblatt „Science“ veröffentlicht.

Ö1-Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch Wissen Aktuell, am 31.7., um 13.55 Uhr.

Das Modell konzentriert sich auf „solar flares“, also Röntgenblitze, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. In dem Moment, in dem Sonnenbeobachter sie wahrnehmen, haben sie die Erde bereits erreicht, das dauert nur einige Minuten. Ein Vorwarnzeit für diese Ausbrüche zu haben, wäre wichtig, sagt Astrid Veronig, Astrophysikerin an der Universität Graz und Leiterin des Sonnenobservatorium Kanzelhöhe.

Mehr Zeit für Schutz und Vorkehrungen

So ein Zeitfenster brauche es etwa, damit die Besatzung der Internationalen Raumstation (ISS) einen Schutzraum aufsuchen kann, Satelliten umgelenkt oder ausgeschaltet oder auf der Erde Vorkehrungen für weitreichende Stromausfälle getroffen werden können, so Veronig gegenüber science.ORF.at. Um das zu ermöglichen, schlagen die japanischen Forscher ein neuartiges Schema vor, das die magnetohydrodynamischen Eigenschaften der Sonne in den Blick nimmt und dafür Routinebeobachtungen des Magnetfeldes der Sonne heranzieht.

Eruptionen auf der Sonne
AFP/NASA

Bisher konzentrierte sich die Sonnenbobachtung in diesem Bereich auf die Sonnenoberfläche und die dort befindlichen Sonnenflecken und ihre Magnetfelder. Das sind dunklere Flecken, in denen das Magnetfeld der Sonne besonders stark ist, weswegen dort weniger Energie vom Inneren der Sonne zur Oberfläche transportiert wird. „Das Problem ist aber, dass diese Energiefreisetzung, die ‚flares‘, nicht auf der Oberfläche passieren, sondern in der höher liegenden Korona“, erklärt Veronig. Dort könne man das Magnetfeld aber nicht messen, nur dessen Fußpunkte an der Oberfläche, was die Vorhersage bisher ungenau gemacht hat.

Aus Ausnahmen etwas lernen

Die neue Methode konzentriert sich auf die physikalischen Eigenschaften der dunklen Sonnenflecken. Kasano und sein Team konnten einen Instabilitätsfaktor identifizieren, anhand dessen sie alle großen Sonnenflecken zwischen 2008 und 2019 analysierten. Bei fast allen lag die Methode richtig, jenen die Ausbrüche verursacht hatten und jene, die folgenlos blieben. Es gab zwei Ausnahmen: Dabei handelte es sich um „flares“, die von einer sehr spezifischen aktiven Sonnenregion im Oktober 2014 stammten.

Die Studie:

„A physics-based method that can predict imminent large solar flares“ von K. Kusano et al. ist in Science erschienen, 30.7.2020

Normalerweise folgt einem „solar flare“ ein koronaler Massenausstoß, also Plasma und Materie der Sonne, die in den interplanetaren Raum geschleudert werden. Doch auch daraus – aus dem Versagen der Methode in diesem Fall – könne die Astrophysik lernen, sagt Veronig. „Diese speziellen Ausbrüche gehen eben nicht mit einer großen Umgruppierung des Magnetfeldes der Sonne einher und dem Auswurf von Materie und das sagt uns, sie müssen anders funktionieren“, so die Astrophysikerin weiter, die in „Science“ auch einen Kommentar zu der neuen Methode verfasste.