Aufnahme der Erde, vom Weltraum aus gesehen
NASA/Terry Virts
NASA/Terry Virts
Schattenspiele

Die Erde als Exoplanet

Astronomen haben einen Weg entdeckt, wie sie sich des Sternenlichts bedienen können, um Informationen über weit entfernte Planeten zu bekommen. Der Machbarkeitsbeweis gelang nun mit einem gut bekannten Modellsystem: dem „Exoplaneten“ Erde.

Viele Hobbyastronomen werden am 21. Jänner 2019 früh aufgestanden sein. Sehr früh. Bereits gegen halb vier begann, was rund zwei Stunden später in einer totalen Mondfinsternis gipfeln sollte.

Das Experiment:

Ö1-Sendungshinweis:

Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 18.9.2020.

Eine solche Mondfinsternis auf der Erde entspricht immer einer Sonnenfinsternis auf dem Mond. Matthias Mallonn vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam reizte der Blickwinkel, vom Mond aus eine Sonnenfinsternis zu beobachten. Das geht mittels eines Umwegs. Das Sonnenlicht durchläuft die Atmosphäre der Erde, trifft dann auf den Mond, und vom Mond wird es reflektiert. „Wir nehmen also das Licht, das vom Mond reflektiert wird, und untersuchen das, indem wir den Mond anschauen“, erklärt der Astrophysiker.

Der Erdschein bringt es an den Tag

So also gelang den Wissenschaftlern, eine Beobachtung vom Mond zu simulieren. Erdschein nennen sie – analog zum Sonnenschein – das Sonnenlicht, das auf den Mond fällt, nachdem es die Erdatmosphäre durchkreuzt hat. Dabei verändert die Atmosphäre das Sternenlicht. Bestimmtes Licht wird weggenommen; dafür zeigen sich die Absorptionslinien bestimmter chemischer Elemente. „Je nachdem, welche Wellenlängen im Licht fehlen, kann man daraus ableiten, wie die Planetenatmosphäre chemisch zusammengesetzt ist“, so Mallonn.

Mond in Großaufnahme mit hellen Zonen an den Rändern
Ernie Wright, NASA GSFC Scientific Visualization Studio
Der Mond im Erdschein

Im Fall der Erde sind das Sauerstoff, Wasser, Kalzium, Kalium und Natrium. Die Absorptionslinien dieser Atome und Moleküle konnten die Forscher im Spektrum des Erdscheins während der Mondfinsternis vom Jänner 2019 nachweisen.

Es gibt Sauerstoff auf der Erde!

Zu den gleichen Ergebnissen kam die US-Raumfahrtbehörde NASA. Ihr Hubble-Weltraumteleskop hatte sich während der Mondfinsternis von Jänner vergangenen Jahres ebenfalls den Erdschein angesehen. Beide – Europäer und US-Amerikaner – kamen zu denselben Ergebnissen, haben also dieselben chemischen Elemente in der Erdatmosphäre nachgewiesen.

Und das war wahrlich nicht überraschend. „Der Nachweis dieser Elemente hat keine wissenschaftliche Bedeutung“, gibt Matthias Mallonn zu. „Wir haben damit nichts Neues über die Erdatmosphäre erfahren.“ Denn dass es in ihr diese und andere chemische Elemente gibt, war selbstverständlich bekannt. „Aber für uns ging es um die Frage, ob wir sie mit dieser Messmethode nachweisen können – denn dann könnten wir sie später auf diese Art vielleicht auch in den Atmosphären von Exoplaneten nachweisen.“

Hinweise auf Leben

Das nämlich war der Sinn dieser komplizierten Aktion, von der Sonne, durch die Erdatmosphäre, auf den Mond und zurück: Lassen sich chemische Elemente in der Atmosphäre eines Planeten nachweisen, wenn das Licht seines Heimatsterns durch die Atmosphäre des Planeten scheint? „In den Atmosphären von Exoplaneten werden wir schon bald nach den Molekülen suchen, die irgendwie mit Leben in Zusammenhang stehen könnten, also Sauerstoff, Wasser, Methan und Ozon“, ergänzt der Astrophysiker Wilhelm Kley vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Uni Tübingen. „Deshalb haben wir Europäer und auch die US-Amerikaner in diesem Fall besonders nach Sauerstoff und nach Wasser in der Erdatmosphäre gesucht.“ Vor allem Sauerstoff ist interessant, da er auf der Erde von Pflanzen durch Photosynthese gebildet wird – ein Zeichen für Leben also.

Test bestanden – das Verfahren hat funktioniert. Nun wissen Astronomen, auf welche Absorptionslinien sie achten müssen, wenn sie beispielsweise nach Sauerstoff, Wasserstoff oder Ozon in der Atmosphäre eines Exoplaneten Ausschau halten. „Wenn man z.B. Hinweise für Sauerstoff hat, dann kann man daraus Rückschlüsse ziehen, ob die Erde bewohnt ist oder nicht. Aber wir wissen ja, dass sie bewohnt ist“, schmunzelt Kley. Die Erde, ja – aber von den etwa 4.000 Exoplaneten wissen wir es noch nicht.