Kinder in allen Größen und unterschiedlicher Herkunft von hinten
New Africa – stock.adobe.com
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Gesundheit

Wie Ernährung die Körpergröße beeinflusst

19-jährige Niederländer sind im Schnitt 20 Zentimeter größer als ihre Altersgenossen in Osttimor: Riesige Unterschiede wie diese zeigt eine neue, weltweite Analyse zur Entwicklung von Körpergröße und Gewicht in den vergangenen 30 Jahren. Hauptgrund ist die unterschiedliche Ernährung.

Die größten Menschen leben heute in Nord- und Zentraleuropa, Spitzenreiter sind die Niederlande, Montenegro, Dänemark und Island. Niederländische Männer sind im Schnitt 1,83 Zentimeter groß, niederländische Frauen 1,69 Zentimeter. Die kleinsten Menschen leben in Asien, Lateinamerika und Ostafrika, etwa in Osttimor, Guatemala oder Bangladesch. Eine 19-jährige Frau in Bangladesch ist ungefähr so groß wie eine elfjährige Niederländerin. Die Gene spielen bei diesen Unterschieden natürlich eine Rolle, aber bei weitem nicht die einzige.

Das verdeutlicht eine nun in „The Lancet“ erschienene Überblicksarbeit, in die Daten von 65 Millionen Kindern zwischen fünf und 19 Jahren aus 193 Ländern eingeflossen sind. Analysiert wurde, wie sich die Körpergröße und das Gewicht der Heranwachsenden zwischen 1985 und 2019 verändert hat. Laut dem internationalen Team, das von Forschern und Forscherinnen des Imperial College London geleitet wurde, hat sich in diesen 35 Jahren einiges getan.

Bei der Körpergröße haben vor allem die jungen Menschen in den aufstrebenden asiatischen Industrienationen zugelegt, z.B. in China und Südkorea. Heute sind 19-jährige Männer in China um ganze acht Zentimeter größer als noch 1985. Auf der Rangliste der Körpergrößen befand sich China 1985 auf Platz 150, 2019 schon auf Platz 65. Im Afrika südlich der Sahara hingegen stagnierte das Wachstum, mancherorts sind die jungen Erwachsenen sogar etwas kleiner als vor 35 Jahren. Auch in manchen westlichen Industrienationen habe die Körpergröße relativ wenig zugelegt, schreiben die Autorinnen und Autoren. Großbritannien belegte bei den Männern 1985 noch Rang 28 bei der Körpergröße, heute ist es abgerutscht auf Platz 39.

Mehr Gewicht bei gleicher Größe

Auch beim relativen Körpergewicht – gemessen als Body-Mass-Index (BMI) – gab es große Unterschiede zwischen den Ländern. Den höchsten BMI haben heute 19-Jährige auf den Pazifischen Inseln, im Mittleren Osten, in den USA und in Neuseeland. Die dünnsten 19-Jährigen (mit einem BMI von 21 und darunter) leben in Südasien, z.B. in Indien und in Bangladesch, sowie in Südostasien und Afrika. Die dünnsten Frauen findet man in Japan und Zentraleuropa, z.B. in Rumänien. Die Differenz beim durchschnittlichen BMI betrug bis zu neun Einheiten, was ungefähr 25 Kilogramm entspricht.

Während sich der BMI in manchen Ländern in den letzten Jahrzehnten kaum verändert hat – dazu zählen etwa Japan, Italien und Dänemark – , ist er anderenorts drastisch gestiegen, etwa in China und in Mexiko. Dabei gingen die Veränderungen bei der Körpergröße und dem BMI nicht immer Hand in Hand, schreiben die Studienautoren. Die jungen Menschen in manchen Ländern sind heute einfach größer als vor drei Jahrzehnten, ihr Körpergewicht hat sich gar nicht oder passend zum Größenwachstum verändert – das gilt etwa für Montenegro, Portugal, Polen und Südkorea. In anderen Ländern stagniert hingegen die Körpergröße, während das Gewicht laufend zulegt, z.B. in den USA und in Neuseeland.

Schulzeit entscheidend

Wie die Forscherinnen und Forscher in ihrer Arbeit betonen, zeige die Auswertung, dass nicht nur die frühe Kindheit entscheidend ist. Lange ging man davon aus, dass durch die Ernährung und die medizinische Versorgung in dieser Lebensphase die Grundlage für die spätere Entwicklung und damit auch der körperlichen Verfassung gelegt wird. Aber offensichtlich seien auch die Einflüsse während der gesamten Schulzeit entscheidend, dazu zählen die Ernährung und andere Umweltfaktoren.

In der Zeit zwischen dem fünften und dem 19. Lebensjahr können diese Einflüsse frühkindliche Widrigkeiten oder Mängel verstärken, aber auch wieder wettmachen. Auf der anderen Seite können gute Voraussetzungen in diesen Jahren wieder zunichte gemacht werden. So liegen beispielsweise Größe und Gewicht von manchen Kindern mit fünf Jahren noch innerhalb des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als gesund definierten Bereichs. Später dann wachsen sie nicht mehr entsprechend, aber nehmen immer weiter zu.

Solche Entwicklungsunterschiede gibt es laut der Analyse sogar in recht ähnlichen Ländern, so sind etwa fünfjährige Buben in Österreich noch genauso groß wie ihre Altersgenossen in den Niederlanden, mit 19 Jahren sind sie dann aber fünf Zentimeter kleiner. In anderen Ländern hingegen holen mit fünf Lebensjahren eher klein Geratene den Rückstand bis 19 wieder auf.

Ausgewogene Ernährung

Der alles entscheidende Faktor sei die Ernährung, schreiben die Autorinnen und Autoren. Essen von mangelhafter Qualität könne das Wachstum bremsen und gleichzeitig Übergewicht begünstigen. Das habe mitunter gesundheitliche Folgen für das ganze Leben. Offensichtlich gebe es häufig ein Ungleichgewicht zwischen der frühkindlichen und der späteren Versorgung.

Das Team plädiert daher für gesundheitspolitische Interventionen. Gesundes Essen müsse für die Heranwachsenden verfügbar und leistbar sein. Helfen könnten etwa ausgewogene Gratismenüs in der Schule oder die Besteuerung von hochverarbeiteten und kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln.