Fachjournale in einer Bibliothek, Publikationen
©salita2010 – stock.adobe.com
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Open Access

9.500 Euro pro Studie

Ab nächstem Jahr werden wichtige Ergebnisse europäischer Forschung „Open Access“ erscheinen – Studien also offen und kostenlos für alle lesbar sein. Der Preis dafür könnte aber sehr hoch sein. Pro Open-Access-Studie sollen die Autoren und Autorinnen in der renommierten Zeitschrift „Nature“ 9.500 Euro berappen.

Das hat der hinter der Zeitschrift stehende Verlag Springer Nature diese Woche bekanntgegeben. Gemeinsam mit vier anderen Verlagskonzernen publiziert Springer Nature mehr als die Hälfte aller wissenschaftlichen Studien weltweit. Dabei machen sie alljährlich Milliarden-Umsätze und freuen sich über riesige Gewinnmargen – letztlich auf Kosten der Allgemeinheit, die dafür doppelt bezahlt. Zum einen für die wissenschaftlichen Studien selbst, die an öffentlich finanzierten Universitäten und akademischen Einrichtungen entstehen. Zum anderen für das Lesen dieser Studien: Sie erscheinen in Fachzeitschriften, deren teure Abos die Uni-Bibliotheken zahlen müssen – also erneut die öffentliche Hand.

FWF mit an Bord

Um diesem System etwas entgegenzusetzen, hat sich vor vielen Jahren aus Disziplinen wie der Physik und der Mathematik heraus die Open-Access-Bewegung entwickelt. Mit öffentlichen Mitteln finanzierte Studien sollen demnach frei zugänglich für alle sein. Eine Idee, der sich vor zwei Jahren auch die größten Förderorganisationen Europas anschlossen. 18 entsprechende Einrichtungen, darunter auch der österreichische Wissenschaftsfonds FWF, verpflichteten sich zum sogenannten „Plan S“. Ihm zufolge werden nur noch Studien gefördert, die ab dem Zeitpunkt der Publikation für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind – und nicht erst nach einer Sperrdauer von sechs bis zwölf Monaten wie heute oft üblich.

Am 1. Jänner 2021 soll der „Plan S“ in Kraft treten. Aus der Community gab es anfangs dafür einiges an Kritik. So war es vielen Forscherinnen und Forschern unklar, ob unter den neuen Bedingungen in wichtigen Fachzeitschriften wie „Science“ und „Nature“ überhaupt noch publiziert werden kann. Zumindest für „Nature“ weiß man nun: Es kann. Aber die Sache ist nicht gerade billig.

9.500 Euro soll eine Open-Access-Publikation im Top-Journal „Nature“ und in 32 weiteren Zeitschriften des Verlags kosten. Einen entsprechenden Vertrag hat der Verlag Ende Oktober bereits mit der deutschen Max Planck Digital Library unterschrieben, nun sollen die Bedingungen für alle gelten. Zudem bieten einige „Nature“-Zeitschriften eine zweite, knapp unter 5.000 Euro kostende Open-Access-Möglichkeit an, mit einem Zwei-Schritt-Bewertungssystem, aber ohne Sicherheit einer Publikation („guided OA“).

Verstärkung der Zweiklassen-Gesellschaft?

Für Open Access zu zahlen, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Der „Nature“-Preis ist aber sehr stolz. Manche Forscherinnen und Forscher fürchten, dass damit der Trend zur Zweiklassen-Gesellschaft in der Publikationspraxis noch weiter verstärkt wird. Wer in ärmeren Ländern forscht, hat schon heute eine weit geringere Chance, in einer prestigereichen Zeitschrift zu veröffentlichen.

„Egal ob hohes oder niedriges Einkommen, zu Beginn einer Forschungskarriere werden sich das die meisten nicht leisten können“, meinte etwa der britische Tropenmediziner Michael Marks laut „Science online“. „‘Nature‘ wird also nur ein Reservat für etablierte, ältere Professoren bleiben. Für wen sollte das gut sein außer für Springer Nature?“ Die Medizin-Fachzeitschrift „The Lancet“ mit einem höheren Impact Factor als „Nature“ würde für eine Open-Access-Publikation nur 4.200 Euro verlangen, so Marks in „Science“ – einem „Nature“-Konkurrenten, der selbst noch keine genaue Reaktion auf den „Plan S“ gezeigt hat.

Erklärungen für den stolzen Preis

Ob die 9.500 Euro pro „Nature“-Artikel gerechtfertigt sind, sei letztlich eine Frage der Leistungen, die damit bezahlt werden – das meint Robert Kiley, Koordinator der hinter dem „Plan S“ stehenden europäischen Förderorganisationen. „Sobald das klar ist, wird die Forschergemeinschaft besser entscheiden können, ob die Gebühren der Verlage fair und nachvollziehbar sind“, so Kiley gegenüber dem Online-Portal von „Nature“. Eine Aussage, der der heimische Wissenschaftsfonds zustimmt. Eine offizielle Reaktion der Fördereinrichtung für Grundlagenforschung soll erst nach genauer Prüfung des Verlagsangebots und in Abstimmung mit den europäischen „Plan S“-Partnern erfolgen, wie es aus dem FWF heißt.

Nature Springer selbst erklärt den hohen Preis von 9.500 Euro auf zwei Ebenen. Zum einen mit den Produktionskosten des Peer-Review-Prozesses: Tausende Artikel würden jedes Jahr eingereicht und evaluiert, in stark selektiven Zeitschriften wie „Nature“ würde davon nur ein Bruchteil veröffentlicht – die dann die Arbeitskosten zu tragen haben. Zum anderen würden sich Publikationen in einem Journal der „Nature“-Flotte akademisch auszahlen: Diese würden 30 Mal häufiger von akademischen Einrichtungen heruntergeladen als im Schnitt der anderen. Der Verlag sorge außerdem für eine professionelle Verbreitung der Wissenschaftsartikel, was allein heuer zu „10.000 Erwähnungen in politischen Dokumenten, über 100.000 Pressegeschichten rund um die Welt und über drei Millionen Erwähnungen auf Twitter“ geführt habe.