Porträtfoto von Klement Tockner
APA/HELMUT FOHRINGER
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FWF-Chef Tockner

„Wettbewerb statt Gießkanne“

Der Wissenschaftsfonds FWF ist Österreichs zentraler Förderer von Grundlagenforschung. Klement Tockner, scheidender FWF-Präsident, spricht sich im Abschiedsinterview dagegen aus, Wissenschaft nur zu subventionieren.

„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden gefördert – und das heißt auch, sie sind gefordert“, sagt er und plädiert im APA-Gespräch für mehr Mittel, die durch Wettbewerb vergeben werden, und weniger „Gießkannenpolitik“. Klement Tockner verlässt mit Jahresende den FWF und wird Generaldirektor der deutschen Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Sie verlassen 3,5 Jahre vor Ablauf Ihres Vertrags die zentrale Förderstelle für Grundlagenforschung in Österreich – gehen Sie frustriert?

Klement Tockner: Nein, es war ein unglaubliches Privileg, den FWF mehr als vier Jahre zu leiten. Jetzt habe ich die Chance ergriffen, wieder zurück in meinen eigenen Forschungsbereich zu gehen.

Haben Sie erreicht, was Sie sich vorgenommen haben?

Tockner: Der FWF steht so gut da wie nie zuvor, wir haben die Spitzen- und Grundlagenforschung in Österreich massiv gestärkt, die internationalen Kooperationen ausgebaut und uns sehr für den wissenschaftlichen Nachwuchs eingesetzt. Die Exzellenzinitiative kommt und innerhalb der Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen haben wir bei zahlreichen Initiativen gemeinsam an einem Strang gezogen.

Was ist Ihnen nicht gelungen?

Tockner: Ich habe nicht erreicht, das laufende FWF-Budget zu verdoppeln. Nichtsdestotrotz gehen mehr Mittel in die Grundlagen- und Spitzenforschung als je zuvor. Wir haben ein Plus von rund 50 Prozent seit meinem Amtsantritt erreicht, das sind immerhin knapp 100 Mio. Euro mehr pro Jahr. Und auch wenn das viel klingen mag, muss man es in Relation zur Ausgangsbasis sehen. Alles in allem waren es aber nicht die leichtesten vier Jahre – mit vier unterschiedlichen Regierungen und der Coronapandemie in diesem Jahr.

Sie hatten sich auch vorgenommen, den Abstand Österreichs zu den führenden Forschungsnationen zu verkleinern. Sind wir nähergekommen?

Tockner: Man darf nicht vergessen, dass sich die anderen auch bewegen, und zwar schnell. Es gibt in Österreich den großen politischen Willen, in Forschung und Innovation zu investieren, da sind wir eines der führenden Länder in Europa. Aber wir sind Schlusslicht, wenn es darum geht, die Mittel in den Wettbewerb und die Grundlagenforschung zu investieren. Wir alle wissen spätestens seit dem OECD-Bericht über Österreichs Innovationssystem, wo der Hebel anzusetzen ist. Wenn wir Innovationsführer werden wollen, müssen wir eindeutig mehr Wettbewerb und Grundlagenforschung fördern. Die Wissenschaft will und darf nicht subventioniert werden – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen gefordert werden, nach hohen internationalen Standards. Wenn man es allen recht machen möchte, ist es nichts anderes als eine Gießkannenpolitik – und das ist ein ganz schlechter Weg.

Warum ist in Österreich die Wettbewerbskomponente so unterbelichtet?

Tockner: Die Frage ist doch, wie die Politik Entscheidungen trifft. Es braucht hier mehr Transparenz und ein Handeln auf Basis von Evidenz und internationalen Benchmarks. Alle Akteure wissen, was Österreich tun müsste, aber wir schaffen es nicht immer, die bestmöglichen Lösungen zu finden – weil sie vielleicht auch manchmal unbequem sind – und somit nicht so leicht umzusetzen.

Was ist die Konsequenz, wenn nicht genügend Mittel über den Wettbewerb vergeben werden?

Tockner: Die Qualität leidet. Dann verlieren wir ganz viele großartige Talente und damit gehen diesem Land auch Ideen verloren. Österreich ist ein Netto-Exportland an herausragenden Talenten und es tut richtig weh, wenn man dieses riesige Potenzial sieht, aber nicht der notwendige Hebel richtig und mutig angesetzt wird. Man hätte auch bei der Universitätsfinanzierung Neu mehr Mut beweisen und mehr Mittel über den Wettbewerb an die Universitäten vergeben können. Aber das war eine politische Entscheidung.

Apropos politische Entscheidung: Die steht noch aus für den von der Regierung angekündigten „Pakt für Forschung, Technologie und Innovation“, wo laut Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bis Jahresende der finanzielle Rahmen für das Forschungsfinanzierungsgesetz und inhaltliche Schwerpunkte genannt werden sollen.

Tockner: Ich gehe davon aus, dass dieser durch die momentane Situation heuer nicht mehr kommen wird. Zugleich bleibe ich optimistisch, dass man die Zeit nutzt, um einen wirklich großen Wurf zu machen.

Müssen bei der Ankündigung der „Nennung inhaltlicher Schwerpunkte“ nicht alle Alarmglocken bei Ihnen läuten?

Tockner: Nein, ich habe Vertrauen in die Politik. Aber ich sehe die Gefahr, dass man die Vielfalt in der Forschung einschränkt, indem man etwa betont, wir brauchen jetzt Pandemie-Forschung und fragt, warum soll man jetzt themenoffen fördern. Die Vielfalt der Forschung ist zentrale Vorsorge für unsere Zukunft. Und man muss unglaublich achtgeben und sich permanent dafür einsetzen, die Unabhängigkeit der Wissenschaft und des FWF zu sichern. Wir brauchen mehr denn je diese Unabhängigkeit, die man auf mehreren Ebenen einschränken kann, etwa indem man die Mittel kürzt oder stärker thematische Vorgaben setzt. Man darf niemals diesen kreativen Geist, der die Wissenschaft erfolgreich macht, durch einen engen Fokus auf bestimmte Themen einschränken. Deshalb bin ich sehr froh, dass bei der Exzellenzinitiative Themenoffenheit und Grundlagenforschung als Grundprinzipien verankert sind.

Hatten sie in ihrer Amtszeit den Eindruck, dass versucht wurde, an der Unabhängigkeit des FWF zu kratzen?

Tockner: Der Eindruck war gelegentlich da, und das Thema begleitet den FWF seit seiner Gründung vor über 50 Jahren. Die Unabhängigkeit ist ein Grundpfeiler des FWF und der Grundlagenforschung in Österreich, auch wenn sich manche manchmal schwer damit tun. Der FWF ist eine transparente, interessensunabhängige Organisation und dazu gehört, dass niemand auf Förderentscheidungen oder unsere Autonomie Einfluss nehmen kann. Was zählt, ist einzig die wissenschaftliche Qualität. Aber Versuche hat es von allen Seiten gegeben – manchmal war ich da wirklich baff.