Künstlerische Darstellung: Flugsaurier slegeln über einer Felsformation durch die Luft
Elenarts / Adobe Stock
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Evolution

Woher kamen die Flugsaurier?

Auch die Saurier flogen einst durch die Lüfte. Paläontologen wissen aber nicht, wie sie da hingekommen sind. Wann hat erstmals ein Saurier seine Flügel ausgebreitet und sich in die Luft erhoben? Und wer war sein Vorfahre? Ein Forscherteam hat nun einen Verdächtigen gefunden.

„Bei den Flugsauriern sind wir noch ganz am Anfang, bevor wir verstehen, wie genau sie den aktiven Flug entwickelt haben“, muss Serjoscha Evers aus dem Bereich Wirbeltier-Paläontologie der Universität von Fribourg in der Schweiz zugeben. Das Problem ist: Es scheint keine Übergangsformen zu geben. Offenbar gab es sofort, quasi über Nacht, fertige Flugsaurier.

Evers und seine Forscherkollegen aus Südamerika und England haben sich nun Skelett-Teile einer Reptiliengruppe names Lagerpetiden näher angesehen. Auf den ersten Blick jedoch merkwürdig: Der Lagerpetid an sich sieht gar nicht aus wie ein Flugsaurier. „Nein, im Großen und Ganzen nicht“, gesteht Oliver Rauhut, Kurator an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie der Universität München. „Das sind in der Tat noch keine Flugsaurier. Diese Tiere konnten mit Sicherheit noch nicht fliegen.“

Mini-Mini-Version des T-Rex

Sieht man jedoch genauer hin, fällt auf: Lagerpetiden hatten einen relativ großen Schädel und einen langen Hals. „Das sind Eigenschaften, die wir auch bei Flugsauriern finden“, betont Rauhut.

Hüfte, Beine, Wirbelsäule: Versteinerte Knochen eines Lagerpetiden
Virginia Tech
Hüfte, Beine, Wirbelsäule: Versteinerte Knochen eines Lagerpetiden

Ein Lagerpetid wurde nur etwa einen Meter lang. Auch die Größe käme also hin, um als Vorläufer von Flugsauriern zu gelten. Auch die waren nämlich anfangs klein. „Auf den ersten Blick sieht es eher nach einem kleinen Raubdinosaurier aus“, findet Evers. So seien die Arme und der Schwanz relativ lang. „Aber wenn man detailliert in die Anatomie vordringt, finden wir viele kleine Hinweise, die frühen Flugsauriern ähneln.“

Vom Boden auf die Bäume in die Luft

Erst auf den zweiten Blick also offenbaren sich die Ähnlichkeiten, die bereits ahnen lassen, dass aus einem Lagerpetiden irgendwann ein fliegendes Reptil werden konnte. „Die Lagerpetiden sind – genau wie die frühen Dinosaurier – schon zweibeinig laufende Tiere gewesen“, glaubt Rauhut. „Das war mit Sicherheit ein ganz wichtiger erster Schritt, damit sie die Arme frei hatten für andere Funktionen.“ Solch eine andere Funktion hatten auch die Klauen am Ende der Arme. Paläontologen glauben, dass die Tiere mit ihnen greifen und sogar auf Bäume klettern konnten.

Ö1 Sendungshinweis:

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 10.12.20 um 13:55 Uhr.

Sinn für die dritte Dimension

Für diesen ersten Blick von oben spricht auch eine Veränderung im Innenohr. Dieses Sinnesorgan ist für die Balance und Gleichgewichtssinn zuständig. „Man hört mit dem Ohr nicht nur, sondern man orientiert sich damit auch“, sagt Evers. Wer abhebt und die Welt von oben betrachtet, braucht ein Gefühl für Höhenunterschiede in der dritten Dimension. „Flugsaurier verfügten über bestimmte Eigenheiten des Innenohrs, die man in gewöhnlichen landlebenden Tieren nicht findet“, betont der Paläontologe. Daraus schließen er und seine Kollegen, dass die Lagerpetiden sehr agile Wesen waren. „Und dann war es halt der nächste Schritt, abzuheben, vielleicht auch vom nächsten Baum aus.“

Aus den Nachfahren der nur einen Meter großen Tiere entwickelten sich bis zur Kreidezeit Flugsaurier, die stehend so groß waren wie eine Giraffe. Am Ende ihrer Evolution erreichten sie Flügelspannweiten von mehr als zwölf Metern. Ein Erfolgsmodell, das die Echsen rund 170 Millionen Jahre lang zu den Herrschern der Lüfte machte – und das erst mit dem Asteroideneinschlag am Ende der Kreidezeit abrupt beendet wurde.